Oktoberfest
so viele Spitzenkräfte anzuheuern. Der MAD hätte Wind davon bekommen. Oder ein verbündeter Dienst hätte etwas davon erfahren. Waren die Täter also Deutsche?
In seinem Telefonat mit dem Verteidigungsminister hatte er darum gebeten, den Aufenthaltsort von General a.D. Henkel festzustellen. Er kannte den Mann persönlich. General Henkel war vor einiger Zeit vom Minister fristlos gefeuert worden. Wegen politisch und menschlich inakzeptabler öffentlicher Äußerungen.
Völlig zu Recht, wie Härter fand.
Er selbst hatte die interne Ermittlung gegen General Henkel geführt. Henkel war ein Mann, der am liebsten den Stechschritt offiziell wieder eingeführt hätte. Ein Mann, dessen Weltsicht aus einer übelriechenden Melange von reaktionärem Nationalismus und motivfreier Fremdenfeindlichkeit bestand. In seinem Abschlussbericht hatte er General Henkel als »Verfassungsfeind« bezeichnet. Kein Kamerad.
Exkrementfarbene Gesinnung.
Ein Ekel.
Gleichwohl war der Mann Elitesoldat. Der hätte die Fähigkeiten, so eine Riesensauerei auf die Beine zu stellen. Aber hätte der Kerl auch tatsächlich auf den Knopf gedrückt, als es so weit war? War dem Mann eine solche Rachsucht zuzutrauen?
Derart in Gedanken versunken, stieg er den Hang wieder hinab. Neben der Wiesn-Wache wurde gerade ein mobiler Einsatzleitstand der GSG 9 aufgebaut. Härter wusste jedoch bereits, dass der eigentliche Leitstand in einem anderen Wagen untergebracht war, der am Bavariaring stand. Als Rettungswagen getarnt. Direkt neben dem Eingang zum U-Bahnhof Theresienwiese. Der Leitstand, dessen Aufbau er beobachtete, sollte im entscheidenden Moment Inaktivität vortäuschen.
Sandkastenspiele.
Wenn er mit seinem Profil nicht vollkommen danebenlag, dann würden sich die Täter nur sehr schwer täuschen lassen.
Und überraschen ließen sie sich vermutlich gar nicht.
*
Zur akustischen Unterstützung seiner freundlichen Begrüßungsworte ließ er die flache Hand mit voller Wucht auf die Resopalplatte des Kaffeetisches sausen, der neben der Tür stand.
Einige der Herren des Münchner Krisenstabes zuckten zusammen.
»Eine Meisterleistung, meine Herren, das muss ich schon sagen!« Innenstaatssekretär Dr. Roland Frühe war eingetreten, ohne anzuklopfen. Er befand sich in Begleitung von zwei Mitarbeitern seines Stabes.
Alle Köpfe fuhren herum. Der Ministerpräsident erhob sich und ging auf den Ankömmling zu. Roland Frühe überragte mit seiner Körpergröße von einem Meter achtundneunzig den Ministerpräsidenten um einen ganzen Kopf. Und sein Anzug saß sehr viel besser.
»Grüß Gott, Herr Dr. Frühe. Ich hoffe, Ihre Anreise ist einigermaßen problemlos gelaufen?«
»Guten Tag, Herr Ministerpräsident.« Dr. Frühe gab dem Chef der bayerischen Staatsregierung die Hand. »Guten Tag, die Herren.« Er nickte in die Runde.
»Meine Anreise wäre wesentlich unproblematischer verlaufen, wenn ich mir nicht hätte Gedanken machen müssen, wie wir das Chaos, das Sie hier angerichtet haben, wieder halbwegs in Ordnung bringen. Ihnen allen ist doch hoffentlich klar, was uns bevorsteht. Früher oder später werden wir der Welt erklären müssen, wieso hier zweitausend Leichen liegen. Irgendjemand wird dafür seinen Kopf hinhalten müssen.«
Dr. Frühe sah die versammelten Herren einen nach dem anderen an.
Und einer nach dem anderen senkte den Blick.
»Und das werde ganz bestimmt nicht ich sein«, setzte er hinzu, während er am Präsidium des Tisches Platz nahm und seinen Aktenkoffer aufklappte. Mit einer wegwischenden Bewegung des linken Armes schaffte er Platz. Einige Akten fielen zu Boden. Er entnahm dem Koffer mehrere Papiere und legte sie vor sich auf den Tisch.
»Bitte, meine Herren.« Er wies mit der flachen Hand auf die leeren Stühle. Der Handteller war von dem Schlag auf den Tisch noch immer leicht gerötet. Wortlos setzten sich die anderen. Roland Frühe begann seinen Vortrag. Allein seine tiefe Stimme wirkte einschüchternd.
»Ad eins: Aufklärung. Die Bundesregierung ist der Meinung, dass wir Bildmaterial aus dem Zelt benötigen. Die Bundesregierung hat sich bereits zum Handeln entschlossen. Die GSG 9 wird eine Operation zur Informationsgewinnung durchführen. Wir brauchen eine gesicherte Nachrichtenlage. Wir müssen feststellen, wie wir das Zelt in den nächsten drei Tagen stürmen können.«
Der Oberbürgermeister sah ihn erschrocken an. »Das ist schon beschlossene Sache? Ich meine, dass gestürmt wird? Das ist nur noch eine Frage der
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