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Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman

Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman

Titel: Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer&Meyer GmbH & Co.KG
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lachen.
    »… kurz vor Hrodna ohne ersichtlichen Grund von der Fahrbahn abgekommen und tödlich verunglückt. Auf der Kleidung befanden sich noch Spermaspuren. Die Polizei ermittelt wegen Prostitution …«Tanja schien sich auf die Straße zu konzentrieren, sah angestrengt nach vorn, aufs Tacho, nach vorn. Wie aus dem Nichts fragte sie:
    »Hattest du viele Frauen in Budapest?«
    »Oh, verminte Zone. Frag nochmal, wenn ich selbst am Steuer sitze.«
    »Sag schon.«
    »Du meinst wegen Aids? Ich hab immer aufgepaßt. Gegenfrage: Hattest du viele Männer?«
    »Viele? Nein, viele nicht.«
    »Typische Fahrerantwort.«
    Tanja schwieg.
    »Kenn ich einen davon?«
    Sie schwieg noch immer.
    »Ist das eigentlich nach dem Gesetz verboten, was wir da gemacht haben?« fragte sie und schaltete zurück, wir waren in unserem Städtchen angelangt.
    »Nach dem Gesetz? Kaum. Obwohl ich nicht weiß, was die hier inzwischen für Gesetze erlassen.«
    Tanja nickte. Ich hatte vergessen, ihr eine Zigarette zu geben, holte es jetzt nach. Sie lächelte und warf mir eine Kußhand zu.
    »Auf einer Skala von eins bis zehn, eins harmlos, zehn schlimm: Wie schlimm war es für dich, mit deinem Neffen zu schlafen?«
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst, Wasja. Hast du das etwa immer noch nicht kapiert? Das ist mir vollkommen egal. Ich wünschte nur, du wärst anders.«
    »Auf der Skala?«
    »Eins.«
    »Anders also. Wie denn?«
    »Ruhiger. Verläßlicher. Mehr bei mir.«
    »Öfter?«
    »Nein, mehr . Bei mir. Nicht irgendwo, nicht schon wieder weit weg in deinen Gedanken. Auf der Skala: Neun.«
    »Neun! Hm. Mehr bei dir als eben ist doch gar nicht möglich.«
    Wir bogen in unsere Straße. Ich nahm Tanja die halb herabgebrannte Zigarette aus dem Mund und küßte sie auf die rechte Schläfe. Sie neigte mir den Kopf entgegen, ließ ihn schwer werden auf meinen Lippen. Dann drückte ich die Kippe am Armaturenbrett aus, warf sie nach hinten, vermutlich auf meine Boxershorts. Tanja brachte das Auto zum Stehen. Hastig drehte sie den Innenspiegel auf ihr Gesicht, fuhr sich mit den Fingern unter die Augen und übers Haar.
    »Lippenstift ist wohl das einzige, was ich nicht im Auto habe.«
    »Total nachlässig!« nölte sie und langte nach dem Türgriff. Ich hielt ihre andere Hand fest.
    »Wenigstens ein bißchen Chaos – darauf stehst du doch, oder?«
    Sie sah mich an. Schwieg.
    »Oder???«
    Tanja lächelte, den Kopf mir zugewandt, dann glitt ihr Blick zu Boden, sie schloß die Augen ganz, und erst jetzt wandte sie den Kopf vollständig von mir ab, noch immer lächelnd.
    »Siehst du!«
    »Du meinst, etwas Handzahmeres finde ich nicht, Wasja?«
    »Steht nicht zu erwarten. Nein.«
    Wir schwiegen noch einen Moment, bevor wir ausstiegen. »Aber ich spreche natürlich pro domo. Werbung in eigener Sache.«
    Ich trat mit bloßen Füßen auf, die blutige Zehe schmerzte.
    Ich fühlte mich glücklich für zwei.

Maryae Himmelfahrt
    Art und Qualität unserer Treffen hatten sich verändert. Wir mußten vorsichtiger zu Werk gehen. Tanja fürchtete die Neugier der Kleinstädter, fürchtete Marya, fürchtete für Marya, wenn sie etwas zu sehen oder zu hören bekäme, was sie nach all dem anderen nicht auch noch sehen oder hören sollte. Ich fürchtete vor allem Alezja, die mit bösartigen Kommentaren nicht sparen würde. Mindestens mit bösartigen Kommentaren.
    Wir begannen, Treffpunkte zu verabreden, Treffpunkte außerhalb des Städtchens. Treffpunkte, die für Tanja noch gut zu erreichen waren. Treffpunkte, die uns auch über den Winter ein sicheres und einigermaßen warmes Plätzchen garantierten. Wir trafen uns Freitag vormittags zum Sex. Wir gingen wieder auseinander, die Lippen so lange wie möglich aufeinandergepreßt, Tanja kehrte zurück ins Haus, ich fuhr nach Hrodna, um einen Kaffee und hundert Gramm Wodka zu trinken, um mich abzukühlen, um ihr den nötigen Vorsprung zu lassen. Eine Stunde später kam ich nach, das Auto ließ ich in der Nähe der Busstation stehen; für die anderen blieb ich Zugfahrer, blieb ich Fußgänger, außer zu besonderen Anlässen, dann parkte ich das Auto ostentativ vor dem Haus. Meist war Marya schon zurück von der Schule, ich begrüßte die beiden mit großem Hallo und war froh, daß Manja mich weiterhin wie einen Fremden behandelte, denn noch trugen meine Lippen den Geschmack, den Geruch von Tanjas Scham, und hätten mich, hätten uns verraten. Alezja war ohnehin selten zuhause. Ichsah sie nur Samstag morgens, zu der Zeit, wenn Tanja und

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