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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Ermahnung und zog blitzschnell die Hand von der Nase ab.
    "Du mußt wir was erklären, Mama", sagte ich.
    "Zuerst wasch dich", rief die Mama. Ihre Hand zuckte wieder zur Nase hoch.
    "Nicht doch, Mama!" mahnte ich. Die Mama ließ die Hand sinken. Sie kam auf mich zu, packte mich an der schweinsrosaroten Morgenmantelschulter und versuchte, mich zur Tür, Richtung Badezimmer, zu schieben. Ich stemmte mich dagegen. Meine Mutter ist eine ziemlich kräftige Person, obwohl sie mager ist. Und ich bin auch gerade kein schwächlicher Schwindsuchtknabe.
    Gut sechs Jahre war es schon her, seit die Mama und ich zum letzten Mal unsere Kräfte aneinander gemessen hatten!
    Damals hatte ich im Garten in einem Zelt nächtigen wollen, und meine Mutter war dagegen gewesen, weil für diese Nacht Regen angesagt war und weil die Oma mit der Zeltschlaferei nicht einverstanden war und weil ich angeblich in diesem Alter sehr zu Angina und Verkühlungen ten-dierte. Die Mama hatte mir das Zeltschlafen strikt verboten.
    Ich war aber trotzdem, klammheimlich, am späten Abend mit Kissen und Decken ins Zelt gewandert. Das hatte die Mama natürlich bemerkt. Sie war zum Zelt gekommen und hatte gekeift und geschimpft und mir alles mögliche und unmögliche angedroht, aber ich hatte mich standhaft ge-weigert, das Zelt zu verlassen. Da hatte mich die Mama einfach um die Mitte gepackt. Wie einen aufgerollten Teppich, den man in die Putzerei bringt, hatte sie mich ins Haus zurückgetragen. Ich hatte gestrampelt und gebrüllt. Ich glaube, ich habe sie sogar gebissen. In den Oberschenkel, wenn ich mich recht erinnere. Aber es hat nichts geholfen.
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    Sie ist damals einfach die Stärkere von uns beiden gewesen! Nun sah es wieder fatal nach "Kräftemessen" aus! Die Mama zerrte und zog, ich stemmte mich dagegen. Aber dem Ausgang dieses Fights sah ich gelassen entgegen, denn sowohl Länge als auch Gewicht meines Körpers schließen seit Jahren aus, daß sie mich noch immer wie eine dreckige Teppichrolle behandeln kann. Eine Watschen hätte mir die Mama natürlich geben können. Andere Mamas, das weiß ich von Freunden, greifen relativ häufig zu dieser Maßnahme. Doch körperliche Züchtigung ist bei uns daheim total verpönt!
    "Olf", schnaufte die Mama. "Jetzt komm ins Bad!" Ihr Griff tat mir weh, weil sich ihre spitz zugefeilten Fingernägel durch den Frotteestoff in meine Schulter gruben.
    "Laß mich los, sonst fang ich zu brüllen an", sagte ich leise, aber drohend. Ich hatte nicht wirklich mit Erfolg gerechnet, doch er stellte sich ein. Die Mama ließ von meiner Schulter ab.
    "Mach keinen Stunk", sagte ich. "Ich will dich nur was Wichtiges fragen. Nachher wasch ich den Dreck sowieso runter!" Ich wischte mir über den Mund. Der Lippenstiftge-schmack war nämlich wirklich sehr widerlich. Wie Him-beermarmelade auf Schmalzbrot schmeckte das Zeug.
    "Dann frag schon", schnaufte die Mama und rieb wieder ihren Nasenrücken. Ich sah von einer Wiederholung meiner diesbezüglichen Rüge ab und sagte:
    "Es geht mir um den Ödipuskomplex, weil ich nicht kapier, wieso sich die Mutterbindung, ich meine, wenn kein Vater da ist, also, wie das mit dem Abarbeiten ist. Und was das mit Schwulsein zu tun hat!" Ich strich mir den Pony aus der Stirn und fing noch einmal von vorn an, weil ich mich ver-
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    heddert hatte und ich am Gesicht der Mama merkte, daß sie bloß "Bahnhof" verstand. "Also, ich meine", sagte ich, "daß es mir darum geht, wie die Libido des Sohnes zur Mutter sich ohne Vater auswirkt?« Ich war der Meinung, mich nun verständlich ausgedrückt zu haben. Meine Mama war nicht dieser Ansicht.
    »Was, bitte?« fragte sie kulleräugig. Ich wiederholte, noch ein bißchen exakter, meine Frage. Die Mama wiederholte ihr »Was, bitte?« und wurde noch kulleräugiger.
    »Kennst dich aus beim Ödipuskomplex, oder nicht?« fragte ich.
    »Absolut nicht«, sagte die Mama bedauernd und fügte entschuldigend hinzu: »Ich hab schließlich Jus studiert!«
    Eine wahre Hilfe in schweren Stunden, die Frau! Ich schüttelte bekümmert mein Haupt und verließ das Wohnzimmer.
    Ich wusch mir, was gar nicht so leicht ging, die Kriegsbemalung ab, schlüpfte in den Jogger-Suit und verließ das Haus durch die Hintertür. Stockfinstere, rabenschwarze Nacht war draußen, nur vom Blauen Salon her kam Licht, das zeichnete ein helles Rechteck auf die Erdbeerbeete und wies mir den Weg zum hinteren Zaun. Den Zaun überstieg ich und wanderte - immer zaunlang - durch nachtnasses Gras bis

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