Olfie Obermayer und der Ödipus
Mann einen Aschenbecher aus Messing nach der Mama geworfen, der hat die Mama am Schlüsselbein getroffen, welches dadurch gebrochen wurde. Da hat die Oma den Mann angeschrien:
"Verlaß augenblicklich mein Haus!"
Und die Tanten packten das Hab und Gut vom Mann der Mama in drei große Koffer und stellten sie ihm vor die Fü-
ße. Und der Mann der Mama brüllte die Mama an:
"Entscheide dich, zu wem du gehörst!" Die Mama entschied sich gegen den Mann. Der Mann ging, und die Ma-ma blieb.
Der Mann ist kurze Zeit später nach Amerika ausgewan-dert. Manchmal kriegen meine Schwestern von ihm An-sichtskarten. Alimente zahlt er keine. Meine Mama könnte ihn natürlich verklagen, aber erstens ist das schwierig, wenn einer im Ausland lebt, und zweitens, sagt die Mama, hat sie ihren Stolz und braucht sein Geld nicht. Sie ist emanzipiert.
Ich selbst bin "ein Kind der Liebe"; behauptet die Tante Fee. Als meine Mama fertig studiert hatte - Jus hatte sie studiert -, war sie in einer Rechtsanwaltskanzlei angestellt.
Was sie in ihrer Freizeit, wenn sie nicht daheim war, tat,
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sagte sie - immer laut Tante Fee - niemandem. Doch eines Tages dann erklärte sie ihrer Mutter und der Tante und den Schwestern, daß sie ein Kind erwarte. Auf die Frage, von wem sie das Kind erwarte, antwortete sie: "Das spielt überhaupt keine Rolle! Es ist mein Kind! Ich will es!"
Tante Fee findet diese Antwort so wunderschön, daß sie auch heute noch nasse Augen bekommt, wenn sie mir davon erzählt. Ich soll stolz sein deswegen, sagt sie.
Eins muß man noch erwähnen, wenn man meine Familie erklärt. Meine Oma hat noch immer das Geschäft vom Urgroßvater, ein Wäschegeschäft. Es geht nicht sehr gut. Tante Truderl arbeitet in einem Büro als Abteilungsleiterin.
Tante Lieserl hat einen Kosmetiksalon. Viel Geld verdient sie nicht damit. Und meine Schwestern studieren. Doris wird Mathe-Lehrerin. Andrea macht es der Mama nach und studiert Jus. Und hätten wir Tante Fee nicht, würde es uns allen finanziell viel schlechter gehen, - denn Tante Fee hat vom Großvatererbe drei Mietshäuser bekommen. Sie ver-mietet Wohnungen und ist wahnsinnig gut bei Kasse. Und gibt das Geld gern für uns aus.
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3. Kapitel
in dem ich ein Gespräch belausche, das mich dazu bringt, im Lexikon nachzuschlagen, was zur Folge hat, daß ich mir eine intensive Ruhe-und Denkpause verordne.
Nachdem ich die zornige Ansprache von Doris überstanden hatte, wollte ich nicht mehr ins Wohnzimmer und zur Familie zurück. Ich ging in die Küche, schmierte mir vier Schmalzbrote und kochte mir eine Kanne Tee. Und zog mich mit Tee und Broten in mein Zimmer zurück. Ich legte
"Neunundneunzig Luftballons" auf den Plattenteller und versperrte meine Zimmertür, damit niemand in mein Reich vordringen und den Plattenspieler auf das, was man "Zimmerlautstärke" nennt, zurückdrehen konnte. Lang saß ich dann an meinem Schreibtisch und faltete aus den kopierten Zetteln Dampfer und Flieger und Raben und Himmel & Hölle-Spiele. Ziemlich leer war mir im Hirn. Hin und wieder fiel mir auch die morgige Mathe-Schularbeit ein, aber das sichere Wissen, daß mir Doris an einem Abend garantiert nicht beibringen würde, was mir seit Wochen schleier-haft-dunkel-unergründlich war, hielt mich davon ab, bei ihr um Hilfe einzukommen. Ein paar Mal mußte ich auch flüchtig ans Kino und die Erbswurstsuppe denken, an ihre rechte Patschhand, die sie andauernd irgendwo auf meinem Leib gelagert hatte. Und ein paar ihrer saublöden Kommen-tare zum Film fielen mir ein. Es ist ja wirklich nicht so, daß ich die Ulli nur wegen ihrem Äußeren ablehne. Viel wahnsinniger macht mich ja noch ihr Inneres. Worüber die Erbswurstsuppe lacht und weint, was sie an Statements von
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sich gibt, was sie an Meldungen ausposaunt, ist echt zum Haare raufen! Nicht für drei Kreuzer Verstand hat sie!
Zweimal während meiner Faltarbeit hämmerte es an meine Zimmertür. Ich vermute, es war die Mama, aber genau kann ich es nicht sagen, weil die Nena-Platte sehr laut wummerte und die Stimme, die beim Hämmern etwas brüllte, dadurch nicht gut zu verstehen war. Es hätte auch die Tante Lieserl sein können. Die Mama und die Tante Lieserl haben Zwillings-Stimmen.
Als ich alle Zettel verfaltet hatte, drehte ich den Plattenspieler ab und warf die Dampfer und die Raben und die Himmel & Hölle-Spiele in den Papierkorb und wollte ins Badezimmer gehen. Mir steht das "untere Bad" zu, das Badezimmer im Parterre. Weil es aber
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