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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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sondern Fingerknöchel. Die Joschi schaute sich nach ihrer Strickzeugtasche um, entdeckte sie an der Terrassen-mauer, holte sie, packte mich am Arm und sagte:
    »Du, er hat recht. Sich da einmischen geht nicht. Da wird alles noch schlimmer!« Ich nahm die Hand, die mir die Joschi bot, und wir marschierten ab. Knapp vor dem Gartentürl blickte ich mich schnell um. Das Bild, das sich mir bot, schien einem konfusen Traum entnommen. Die Marion saß noch immer, mit dem Oberkörper schwankend, am Pool.
    Der Gustl und der Egon wankten mit Hängeschädeln im Kreis herum. Die verdreckten Kämpfer schlichen dem Haus zu. Der Großvater hatte sich den Burli-Beier gepackt und beutelte ihn - stellvertretend für die ganze Clique - am Kragen. Die Nachbarn glotzten. Die Großmutter kniete am Tulpenbeet und versuchte, eine geknickte Tulpe aufzurich-ten. Die auf der Terrasse standen stocksteif und schauten gebannt zum Großvater hin. Nur die Erbswurstsuppe starrte hinter mir und der Joschi her.
    Bis es dunkel wurde, ging ich mit der Joschi spazieren. Die Joschi zerbrach sich andauernd den Kopf, wie dem armen Jo zu helfen sei. Weil ich auf dieses Thema nicht so recht einsteigen wollte, machte sie mir Vorwürfe. Ob ich mir denn nicht vorstellen könne, was der »arme Hund« von seiner Familie zu erwarten habe? Ganz ehrlich gesagt, das konnte ich eigentlich nicht. Ich habe ja schließlich keine peitschenschwingende Großmutter.
    »Eben!« sagte die Joschi. »Du mit deinen sanften Hausdamen hast ja keine Ahnung!« Es klang wie ein Vorwurf. Und den wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich erzählte der
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    Joschi von meiner Familie und davon, wie mich die Weiber andauernd traktierten, wegen der Zim-merlautstärke und dem Lernen und hundert anderen unschönen Details.
    »Ich würd dich ja bedauern, wenn ich könnt vor lachen«, sagte die Joschi spitz. Fast hätten wir zu streiten angefangen, doch dann lenkte die Joschi wieder ein und meinte, jeder sehe halt nur seinen eigenen Kummer, und der erscheine ihm riesengroß, und im Vergleich zu den Millionen verhungerter Kinder auf der Welt gehe es uns wahrscheinlich allen sehr prächtig. Ich unterdrückte im Interesse eines guten Ausklanges des Tages die Bemerkung, daß diese Ansicht von meiner Mutter stammen könnte. Ich nickte nur matt. Dann mußte die Joschi heim, weil sie nie länger als bis sieben Uhr Ausgang hatte. Wir verabredeten uns für Montagnachmittag sechzehn Uhr im Eissalon, an der Ecke vor dem Muxeneder. Zweimal am Tag im Muxeneder zu hocken, sagte die Joschi, sei ihr zuviel. Sie finde schon die Vormittage dort entsetzlich langweilig, und jetzt, wo sie mir nicht mehr zulächeln könne, überhaupt.
    »Wann kommt denn dein Bruder aus Italien zurück?« fragte ich. Die Joschi zuckte mit den Schultern. Sie sagte, eigentlich sollte er längst da sein.
    »Und das ist sicher, daß er dir die Entschuldigung schreibt?« fragte ich.
    »So sicher wie das Amen im Gebet«, sagte die Joschi, fügte aber dann zögernd hinzu: »Nur, ob er rechtzeitig kommt, das ist die Frage! In der Schule nämlich, hat meine Freundin gesagt, sind sie schon unruhig. Der Klassenvorstand hat eine blöde Bemerkung gemacht. Und die Anna, unsere Oberstreberin, hat auch blöd dahergeredet. Ihre Mutter hat mich beim Muxeneder gesehen.«
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    »Hast du Angst?« fragte ich.
    »Scheißangst«, sagte die Joschi.
    »Und wenn du es einfach zugibst«, meinte ich. »Deine Eltern, die werden dich doch decken vor der Schule, oder?«
    Die Joschi schaute mich an, als wäre ich vom Mond gefallen.
    »Du hast vielleicht eine Ahnung«, sagte sie.
    »Was würden sie denn tun, wenn sie es erfahren?« fragte ich.
    Die Joschi sagte, ich solle das Thema fallen lassen. Sie wolle sich gar nicht ausmalen, was ihre Eltern dann täten. Die dürften das einfach nicht erfahren. Und vielleicht sei ja ihr Bruder heute nachmittag schon heimgekommen.
    Ich begleitete die Joschi bis zwei Ecken vor dem Haus, in dem sie wohnte. Weiter ließ mich die Joschi nicht mitge-hen. Wenn ihre Mutter zufällig aus dem Fenster schauen und mich sehen würde, erklärte sie mir, wäre der Krach komplett. Es sei ihr streng verboten, außerschulisch mit Knaben Kontakt aufzunehmen. Wenn es nach ihrer Mutter ginge, müßte sie sogar in eine reine Mädchenschule gehen.
    Davon sei sie nur deshalb verschont geblieben, weil es reine Mädchenschulen nur als Privatschulen gibt und weil die viel Geld kosten und ihr Vater ein Geizkragen ist.
    Ziemlich bedrückt wanderte

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