Olfie Obermayer und der Ödipus
schon beim Gartentürl war. »Wir müssen heute noch Mathe lernen!«
Ich nickte und murmelte: »Aufdringliche Kuh, die!«
Die Joschi meinte, ich sei ungerecht. Wenn sie so eine nette Familie hätte, würde sie sich alle zehn Finger zehnmal ab-schlecken. So ähnlich reden alle meine Freunde. Der Harri und der Florian auch. Aber die haben ja alle keine Ahnung!
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6. Kapitel
welches ziemlich triste ausfällt, weil es von zwei Horrortrips, einem freizeitlichen und einem schulischen, berichtet.
Die Fete beim Jo war ein Reinfall auf allen Linien. Als ich mit der Joschi hinkam, waren der Egon, der Gustl und die Marion bereits stockbesoffen. Sie hatten ab Mittag dem Jo bei den Partyvorbereitungen geholfen und dabei andauernd Bacardi-Cola gesüffelt. Nun lagen sie am Swimmingpool im zarten Frühlingsgras und wirkten reif für den Abtransport in die Intensivstation. Der Harri und der Florian, auch nicht mehr ganz nüchtern, liefen mit einem Schmetterlings-netz um den Pool herum und versuchten, grausliche Brök-kerln aus dem Wasser zu fischen. Die Marion hatte nämlich in den Pool gekotzt. Die Anette, der Axel und der Niki sa-
ßen rauchend am Terrassentisch. Zu dritt an einer Zigarette rauchten sie, und an der Art, wie sie den Glimmstengel hielten und ihn bedeutungsvoll weiterreichten, merkte ich, daß sie sich einrauchten.
Ich wollte mich ihnen gar nicht nähern, aber die Joschi winkte dem Axel zu, und der hob, matt wie ein schlagflüssiger Opa, eine Grußhand, und die Joschi ging zu ihm hin und setzte sich auf den freien Stuhl zwischen ihm und der Anette. Die Anette hatte gerade den Joint in der Hand, schön brav verkehrt herum, wie sich das für einen armen Hascher ziemt. Sie tat mit geschlossenen Augen einen Zug und reichte den Joint der Joschi. Am Terras-sentisch wäre
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noch ein Platz frei gewesen, aber ich verzichtete auf die Teilnahme an der Sitzung und ging ins Haus.
Im Wohnzimmer waren vier aus unserer Parallelklasse, die ich kaum kannte. Sie tanzten zu miesem Disko-Sound. Ich legte mich auf die Lederbank beim TV. Von dort hatte ich durch das große Fenster Ausblick auf die Raucherrunde.
Viel zu beobachten gab es nicht. Der Joint war fast aufge-raucht. Die Anette klemmte den Stummel in eine Haarklammer, um sich nicht die Finger an ihm zu verbrennen, und tat einen letzten Zug. Dann schnipste sie den Stummel aus der Haarklammer und trat ihn aus. Ob sie einen neuen Joint anzündeten, sah ich nicht mehr, weil der Harri und der Florian ins Wohnzimmer kamen. Sie setzten sich zu mir und verstellten mir die Sicht. Beide hatten Bacardi-Cola-Drinks, beide kicherten blöde.
»Ist die Erbswurst gar nicht da?« fragte ich.
Das sei ja der Grund für ihre Heiterkeit, teilten mir der Harri und der Florian mit. Die Erbswurstsuppe hocke in der Küche, streiche Brote und jammere, daß der Wolfi aus Lerneifer nicht kommen werde, daß sie eine arme Stroh-witwe sei, der die ganze Fete keinen Spaß mache.
»Das wird ein Auftritt«, wieherte der Harri, »wenn die merkt, daß du da bist und nicht allein gekommen bist!«
»Die springt in den Kotze-Pool«, gluckste der Florian. Und der Harri beugte sich glasigen Blickes über mich, deutete zur Terrasse hin und fragte: »Wer ist denn die? Gehst mit ihr?« Und der Florian fragte und lallte dabei ein bißchen:
»Wieso hältst denn die geheim vor uns, he? Hast Angst, daß ich sie dir wegschnapp?«
Am liebsten wäre ich heimgegangen. Zwei betrunkene Freunde und eine Freundin, die sich einraucht, fand ich
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frustierend. Ich bin wirklich kein alter Oberlehrer und kümmere mich nicht darum, wie andere Leute zu ihrem Glück kommen, bloß habe ich bis jetzt noch keinen erlebt, der unter Drogeneinfluß gut auszuhalten ist. Die Alkohol-freaks grölen und lallen und kotzen, und die Hascher lassen die Jalousien komplett herunter und werden so mitteilsam wie ein gipserner Gartenzwerg und so ansprechbar wie ein Gußeisenofen. Angeblich tut sich ja inwendig in den Gift-lern allerhand, nur kapier ich nicht, warum sie dann gerade Partys als Start für die Trips nehmen. Ein Fest ist dazu da, daß man gemeinsam Spaß hat. Einer, der bis oben zu ist, egal ob vom Schnaps oder vom Shit, der hat mit niemandem mehr Spaß, und kein anderer hat Spaß an ihm. Der einzige Spaß, den sie - für mich sichtbar - haben, ist der, daß sie hinterher im grauen Schulmief pausenlang davon reden, wie »im Öl« und wie »high« sie gewesen sind, und mit jedem Tag, der vergeht, verdoppeln sich die
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