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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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aufsteigender De-pression kindisch zu reagieren. Ich sagte: »Sie wollten doch eine Skizze, bitte!«
    Das Suserl seufzte. »Vom Weg natürlich!« sagte es.
    »Mit Verkehrsschildern oder ohne?« fragte ich. Da merkte selbst das naive Mathe-Suserl, daß ich sie frozzelte.
    »So nicht, Wolf gang Obermeier!« rief sie und wies mich mit entrüstet ausgestreckter Rechter zu meinem Pult. Dann wandte sie sich an die Erbswurstsuppe. »Ulli Ul-lermann«, sagte sie. »Komm du heraus, mach weiter!«
    Die Erbswurstsuppe hockte bleich, mit leicht geröteten Augen, auf ihrem Platz. Sie stand nicht auf. Die Anette erhob sich und sagte zum Mathe-Suserl: »Bitte, die Ulli ist heute nicht ganz in Ordnung, es geht ihr nicht gut!«
    Da die Erbswurstsuppe wahrlich wie die heilige Minna bei der Kreuzabnahme dasaß, witterte das Mathe-Suserl keinen
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    Hinterhalt, sondern empfahl der Erbswurstsuppe, in das Sekretariat um Kamillentropfen zu gehen.
    Die Anette sagte bedeutungsvoll: »Es ist nichts Körperliches!« Mit einem Seitenblick auf mich sagte sie das.
    »Wie bitte?« Das Mathe-Suserl meinte, sich verhört zu haben.
    »Seelisch!« mischte sich die Marion ein.
    »Wie bitte?« Nun war das Mathe-Suserl sichtlich verwirrt.
    »Diese blöden Kühe«, murmelte der Axel.
    Da das Mathe-Suserl unser Klassenvorstand ist, der jede Woche zweimal betont, man könne mit allem zu ihm kommen, was man auf dem Herzen habe, befürchtete ich schon eine öffentliche Erörterung meiner Beziehung zur Erbswurstsuppe und war richtig dankbar, als die Klassentür aufging und der Schulwart mit einem Zettel hereinkam. Er rief:
    »Es mögen sofort in die Direktion kommen ...« und dann las er von dem Zettel Namen ab. Es war Jos Einladungsliste zur Samstags-Party.
    In der Direktion fanden wir den Hofrat vor und den Jo und die Eltern vom Jo, und gleich nach uns kamen auch die fünf Partygäste aus der Parallelklasse. Ein ziemliches Gedränge herrschte in dem Raum. Im Gedränge kam die Erbswurstsuppe neben mir zu stehen. Als sie das merkte, warf sie mir einen verachtungsvollen Blick zu und drehte sich weg. Der Hofrat ließ uns an der Fensterwand Aufstellung nehmen.
    Ob wir alle am Samstag bei dieser Party gewesen seien, fragte er. Wir nickten. Ob noch jemand fehle, der ebenfalls dort gewesen sei. Wir schüttelten die Köpfe. Bloß die Erbswurstsuppe meldete: »Ein Mädchen war noch dort!
    Aber nicht aus unserer Schule. Aus der Bäckerei!«
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    Ein Mädchen aus der Bäckerei schien den Hofrat nicht zu interessieren. Er murmelte: »Das geht mich nichts an!«
    Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und trug uns eine Partyversion vor, die mich - und alle anderen auch -
    ins starre Staunen brachte. Nur den Jo, der mit gesenktem Haupt zwischen seinen Alten stand, den brachte sie zum Erröten.
    Des Hofrats Partyversion ging so: Der arme, brave, eltern-lose Jo hatte am Samstag bloß zwei Freunde, den Andreas und den Egon, mit nach Hause genommen; um mit ihnen für die Mathe-Schularbeit zu lernen. Unerwartet und total uneingeladen waren dann die anderen gekommen, hatten Terror gemacht und Verwüstung, die Nachbarn am Telefon beschimpft, mitgebrachten Fusel getrunken und die zur Rettung des Enkels herbeieilenden Großeltern derart rowdy-rockerhaft traktiert, daß sich diese - zu ihrem Schütze - mit Stecken und Schlauch bewaffnen mußten. Direkt nach Truman Capote und »In Cold Blood« klang das.
    Daß einer schamlos lügt, um seine Haut zu retten, verstehe ich! Daß der Jo seine Haut auf unseren Buckeln retten wollte, fand ich nicht gerade anständig. Aber wahrscheinlich war er sich, als er seinen Uralten vorlog, daß wir ihn einfach überfallen haben, über die Konsequenzen, die das haben kann, gar nicht klar. Denn ein echter Schuft war der Jo noch nie!
    Des Hausfriedensbruches und der Besitzstörung zieh uns der Hofrat, und ob das ein gerichtliches Nachspiel haben werde, sagte er, hänge von der Milde der Jo-Eltern und der Zahlungswilligkeit unserer Eltern ab. Doch noch wesentlich schlimmer sei es, donnerte der Hofrat los, daß sich Schüler sinnlos besaufen und, falls gewisse Andeutungen der Jo-
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    Eltern stimmten, müßte er überhaupt die Polizei einschal-ten.
    Er hieb mit einer Faust auf den Tisch. »Meine Schule wird drogenfrei bleiben!« brüllte er. »Elemente, die versuchen, Rauschgift einzuschleppen, werden von mir rigoros ausge-merzt!«
    Die Jo-Mutter unterbrach den Hofrat: »Das mit dem Hasch ist aber nicht erwiesen«, sagte sie. »Das haben

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