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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Rechtsanwalt«, sagte ich. »Du weißt, was man da tun muß. Du mußt erreichen, daß die Joschi
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    beim Johannes bleiben kann, bis sie in ein Heim kommt, aber in ein anständiges. Und daß sie überhaupt nicht mehr nach Hause muß. Wenn du echt willst, dann kannst du das.«
    Den Nowak störte unser erregtes Gespräch. Alle paar Augenblicke winselte er entsetzt.
    Zuerst sagte die Mama, ich überschätze ihre Möglichkeiten.
    Partout wollte sie mir einreden, daß der »gesetzliche Weg«
    der einzig richtige sei. Die Joschi müsse nach Hause zu-rück, denn jeder, der eine Vierzehnjährige ohne Zustim-mung der Eltern beherberge oder von diesem Umstand wisse, mache sich schuldig. Dann könne man den Vater beim Jugendamt anzeigen, und dann werde das Jugendamt Nachforschungen erheben, und wenn es zu dem Schluß komme, daß man dem Vater die Erziehungsberechtigung entziehen müsse, dann werde die Joschi in ein Heim kommen. So sei die Sache zu lösen und nicht anders!
    »Dann vergiß mich!« sagte ich.
    Die Mama fing wieder von vorn an. Man müsse auf dem
    »Pfad der Legalität« bleiben! Man könne die Einweisung der Joschi in ein Heim auch gar nicht betreiben, solange die Joschi sich versteckt halte. Die Joschi sei doch die einzige Person, die Auskunft über den Vater geben könne. Ohne entsprechende Aussagen der Joschi laufe da überhaupt nichts! Alles andere sei meschugge und absurd!
    Mich machte dieser »vernünftige« Vortrag halb wahnsinnig. Ich brüllte die Mama an: »Das ist mir scheißegal!
    Streng halt dein Hirn an! Es muß anders gehen! Oder sind unsere Gesetze so, daß sich die Joschi zuerst totprügeln lassen muß, bevor etwas gegen den Vater passiert?«
    »Es könnte so sein, mein Sohn«, sagte der Johannes. Er kam mit einem Tablett, darauf vier Kaffeeheferln, ins
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    Zimmer. Die Joschi kam zögernd hinter ihm her. Der Johannes stellte das Tablett auf einen Bücherstapel und teilte die Tassen aus und bot Milch und Zucker an. Die Mama schien froh über die Atempause im Brüll-Duell.
    Der Johannes setzte sich mit seinem Heferl auf den Schreibtisch. Um der Mama meinen Standpunkt eindeutig klarzumachen, setzte ich mich neben ihn auf den Schreibtisch. Sie sollte merken, daß sich Kompottzwetschge und Dörrpflaume einig waren. Sie merkte es. Ziemlich hingeris-sen starrte sie mich und mein Knitter-Duplikat an.
    »Na schön«, sagte sie schließlich. »Ich werde eine Freundin anrufen. Ihr Freund ist Sozialarbeiter. Vielleicht fällt dem etwas ein!« Die Mama hob den Hintern vom Sessel, ließ sich dann aber wieder ins Weiche plumpsen und fragte die Joschi: »Warum kannst du eigentlich nicht mehr heim?
    Was würde dir denn passieren!«
    »Alles!« sagte die Joschi ganz leise.
    »Wie bitte?« Die Mama hatte die Joschi nicht verstanden.
    Die Joschi setzte sich aufs Bett vom Johannes. Sie senkte den Kopf. Gleich fängt sie zu weinen an, dachte ich. Ich ging zu ihr, setzte mich neben sie, zog sie an mich und streichelte ihren Borstenkopf.
    »Ich mag das nicht dauernd erzählen«, flüsterte die Joschi.
    »Mußt du ja nicht«, flüsterte ich und streichelte. Der Nowak, sensibel für Zärtlichkeiten aller Sorten, sprang auf und bohrte schnaufend seinen Riesenschädel in meinen Bauch und klopfte freudig erregt mit dem Schwanz auf den Boden.
    Ich wollte ihn wegdrängen, aber achtzig Kilo Hund lassen sich nicht drängen. Die Joschi und ich kippten nach hinten, der Nowak sprang aufs Bett und legte sich quer über uns.
    Es war nicht angenehm, so zu liegen, aber da der Johannes
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    gerade anfing, der Mama zu erzählen, was der Joschi schon alles »passiert« war und um welches Exemplar von Vater es sich bei dem ihren handelte, ließ ich den Nowak über uns.
    Der Riesenberg Hund verstellte der Joschi die Sicht auf den redenden Johannes und die zuhörende Mama. Und das rö-
    chelnde, sabbernde Atmen dämpfte die Stimme vom Johannes und die »Oh, wie entsetzlich« und »Das ist ja furchtbar« der Mama. Das, dachte ich, macht der Joschi das Zuhören leichter.
    Der Johannes ließ nichts von dem, was die Joschi gestern abend erzählt hatte, aus. Als er fertig war, mußte die Mama sichtlich nach Luft ringen, doch als sie die wieder hatte, legte sie los. »Himmel, Arsch und Zwirn«, fluchte sie.
    »Und so was geht herum und wird höflich gegrüßt und kriegt jedes zweite Jahr eine Gehaltserhöhung und eine Eh-rennadel vom Gesangverein!«
    »Bei einem Gesangverein ist er bitte nicht«, meldete die Joschi. Sie setzte sich

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