Olfie Obermayer und der Ödipus
auf und stupste den Nowak so lange in den Hintern, bis er vom Bett sprang.
Die Mama zündete sich eine Zigarette an. Sie stand vom Polstersessel auf.
»Den Freund von meiner Freundin ruf ich nicht an«, sagte sie. »Das erledige ich selber. Und zwar umgehend. Und zwar auf die coole Tour!«
»Wie geht die coole Tour?« fragte ich.
»Ich fahre jetzt zu ihm.« Die Mama tat die Zigaretten und auch das Feuerzeug vom Johannes in die Tasche. »Dann werden wir ja sehen, wie er sich verhält!«
»Raushauen wird er dich«, sagte der Johannes.
»Dann komm mit mir«, sagte die Mama. »Aber zieh was Seriöses an! Das wirkt besser!«
- 162 -
Gehorsam ging der Johannes zum Schrank und suchte in hängenden Klamotten herum.
»Und wir?« fragte ich. Ich glaube, ich strahlte die Mama an wie ein Christbaum den Weihnachtsabend. »Ihr bleibt hier«, entschied die Mama. »Sicher ist sicher. Bevor ich nicht weiß, wie der Kerl ist, gehen wir kein Risiko ein!«
Der Johannes fand einen grauen Anzug. Und ein gestreiftes Hemd. Krawatte fand er keine. Die Mama war mit dem Anzug zufrieden. Aber als der Johannes aus den Jeans in die graue Hose umstieg, drehte sie sich weg. Echt irre! Einen Mann, mit dem sie vor fünfzehn Jahren ein Kind erzeugt hat, wagt sie nicht in der Unterhose zu betrachten!
Zehn Minuten später waren die Mama und der Johannes abgefahren. Und der Nowak mit ihnen. Er hatte derart er-bärmlich am Auto gewinselt, daß sie ihn einfach mitnehmen mußten. Sonst wäre er garantiert hinter dem Auto her bis nach Wien gerannt.
Im Küchenherd war das Feuer ausgegangen. Das Gulasch war noch steinhart. Wir aßen die restlichen Semmeln und tranken Milch, weil es uns nicht gelang, den Herd wieder anzufeuern. Wir legten uns ins Bett vom Johannes; dort muffelte die Matratze nicht.
Bis nach Mitternacht redeten wir miteinander. Ich mußte die Joschi die ganze Zeit beruhigen. Sie hatte Angst. Sie stellte sich lauter entsetzliche Szenen vor. Daß ihr Vater meine Mutter und den Johannes derart bedrohen könnte, daß sie ihm sagen, wo wir sind und daß er herkommt. Sooft sie ein Geräusch vor dem Haus hörte, meinte sie, er sei schon gekommen. Ihre Angst war so groß, daß ich sogar mit ihr aufs Klo gehen mußte. Allein wagte sie sich nicht vors Haus. Daß sie so große Angst hatte, verstand ich ja!
- 163 -
Aber daß sie trotzdem noch die allerletzten drei Semmeln und ein großes Glas mit Marmelade wegputzte, wunderte mich. Wenn ich Angst habe, kann ich keinen Bissen essen.
Aber so verschieden sind halt die Menschen!
- 164 -
10. Kapitel
welches meiner Geschichte ein halbwegs positives Ende setzt, das ich allerdings nicht sehr befriedigend finde, weil ich mir das Leben noch viel, viel schöner vorstellen könnte.
Zwei Tage und einen halben waren die Joschi und ich allein im Haus. Pro Tag rief der Johannes dreimal an und gab uns Überlebenshinweise. Daß in der Schreibtischlade Geld sei, daß im Schuppen ein Fahrrad sei, daß der nächste Laden, wo man Lebensmittel kaufen könne, drei Kilometer weiter oben an der Straße liege, daß das trockene Holz an der rechten Schuppenseite aufgestapelt sei. Wo Seife und Handtücher zu finden seien, teilte er auch mit. Und die Joschi beschwor er, keine Angst zu haben. »Es wird schon alles«, sagte er. Nähere Erklärungen gab er nicht.
So große Angst wie in der ersten Nacht hatte die Joschi nicht mehr. Doch daß sie noch immer Angst hatte, merkte ich, weil sie dagegen war, daß ich mit dem Rad einkaufen fuhr. Sie wollte nicht allein bleiben. Und selbst einkaufen fahren wollte sie auch nicht. Da wir nicht zu zweit auf einem Fahrrad fahren konnten, gingen wir zu Fuß. Das Wetter war ohnehin strahlend schön. Auf dem Heimweg kam uns ein Volvo entgegen. Da ließ die Joschi das Plastiksak-kerl mit den Bananen und den Orangen fallen und raste wie der Blitz querfeldein. Erst als der Volvo längst entschwun-den war, kam sie zurück.
»Mein Vater hat einen Volvo in der gleichen Farbe«, erklärte sie.
- 165 -
Mir gefiel das einsame Leben mit der Joschi. Ewig hätte das so weitergehen können. Sogar wie man den Herd ein-heizt, ohne daß er raucht, kapierte ich. Und Kaiserschmarrn backen lernte ich dadurch, daß mir die Palatschinken in Fetzen zerfielen; was einen erstklassigen Kaiserschmarrn ergibt. Am dritten Morgen machte mir nicht einmal mehr das Waschen am Wassertrog viel aus. Und das Klogehen auch nicht. Ich sagte der Joschi nichts davon, aber ich dachte mir aus, wie es wäre, wenn man uns
Weitere Kostenlose Bücher