Olfie Obermayer und der Ödipus
ihr Feuer geben, aber sie fauchte: »Danke, ich hab selber eins!«
Da legte der Johannes der Mama das Feuerzeug auf die Knie und ging in die Küche. Die Tür machte er hinter sich zu. Die Mama nahm das Feuerzeug, ließ es schnappen und sog Rauch ein. Dann sagte sie mit Leidensstimme:
»Ich habe immer gedacht, ich bin eine halbwegs gute Mutter und du bist ein halbwegs zufriedener Sohn!«
»Bist du ja auch, bin ich ja auch«, sagte ich.
»Und ich dachte, zwischen uns gibt es so etwas wie eine Vertrauensbasis!«
»Gibt es ja auch«, sagte ich.
»Und warum fragst du mich dann nicht einfach nach deinem Vater? Warum mußt du in meinen Sachen herum-schnüffeln? Warum benimmst du dich so fies und mies?«
Sie stellte mir noch eine Menge solcher lächerlicher Fragen, aber antworten ließ sie mich nicht. Sie klagte im Düsen-Jet-Tempo drauflos, daß sie mich doch seit Jahren über meinen Vater informieren wolle, daß ich aber dieses Thema immer verweigert habe, und als kleines Kind habe sie mir ja nicht die Wahrheit sagen können, weil man doch einem kleinen Kind nicht sagen kann, daß sein Vater anderwärtig verheiratet sei.
Und dann jammerte sie, daß sie gar nimmer wisse, was ich eigentlich für ein Mensch sei! Wie ein Unbekannter komme ich ihr vor! Nie im Leben hätte sie angenommen, daß ich etwas mit Rauschgift zu tun haben könnte! Nicht einmal für
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einen, der einfach unerlaubt aus dem Unterricht weggeht, habe sie mich gehalten! Und daß ich eine Liebschaft mit einer Rauschgiftsüchtigen habe - wie sie gestern von der Ulli Ullermann gehört habe -, das erschüttere sie besonders tief.
Als sie endlich eine Atempause ins Klagelied einlegte, sagte ich:
»Du hast vergessen, daß ich dir fünftausend Schilling gestohlen habe! Ein Dieb bin ich auch!«
»Werd nicht zynisch«, sagte die Mama.
»Und vielleicht werd ich auch schwul«, sagte ich. »Wegen dem Ödipus und euch sieben Damen!«
»Was, bitte?« rief die Mama.
»Schwul, Frau Mutter«, sagte ich, stand auf und stieg über den Nowak drüber. »Oder homosexuell, wenn dir das Wort besser paßt!«
»Olf, jetzt mach einen Punkt!« rief die Mama. »Was willst du denn dauernd mit dem Ödipus? Das ist doch Unfug! Ich hab mich bei der Tante Lieserl genau erkundigt! Die neue Psychologie lehnt den Ödipuskomplex ab, sagt die Lieserl!
Ehrlich!«
Da ich keine Absicht hatte, mich mit der Mama über etwas zu streiten, was für mich ohnehin der Schnee vom vorigen Monat war, winkte ich bloß ab und murmelte: »Forget it, sister« und die Mama brüllte, daß ich sie so nicht anreden soll. Darum unterließ ich jede weitere Anrede und erklärte der Mama, daß es zwar absolut kein Honiglecken sei, von sieben Damen rund um die Uhr tagaus tagein betreut zu werden, daß ich zwar überhaupt keine gigantische Lebens-freude in mir spüre, daß mir zwar die Schule enorm auf den Wecker falle, daß ich aber trotzdem - bis auf die Ausnahme
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der drei Stück Hasch-Gugelhupf- kein Junkie sei und meine Freundin ebenfalls nicht, davon könne sie sich überzeugen, wenn sie in die Küche gehen und ihr beim Zwiebelrösten Gesellschaft leisten würde.
Und dann sagte ich der Mama, daß ich nicht von zu Hause weg bin, weil es mir dreckig geht, sondern weil es der Joschi dreckig geht und die Mama nicht bereit war, ihr zu helfen. Ich sagte: Dir waren ja ein paar blödsinnige Schwierigkeiten mit dem Hofrat wichtiger! Das Elend von jemandem, den du nicht kennst, interessiert dich ja einen Schmarren! Darum bin ich zum Johannes! Dem ist es nämlich schnuppe, ob einer zur family gehört oder nicht. Und ir-gendwohin hab ich eben mit der Joschi müssen! Du hast ihr ja kein Bett angeboten!«
»Du spinnst ja«, brüllte die Mama. »Ich hab dir doch gesagt, was sie machen muß!«
Ich brüllte zurück: »Daß sie nicht Schule schwänzen soll, wenn sie einen brutalen Vater hat, hast du gesagt!« »
Nicht nur«, brüllte die Mama retour. »Daß sie aufs Jugendamt gehen muß, habe ich dir gesagt!« Die Mama drückte die Zigarette in einer leeren Keksdose, die sie schon als Aschenbecher benutzt hatte, aus. »Ich kann ihr doch kein Bett anbieten«, sagte sie. »Da hätte ich mich doch strafbar gemacht!«
Ich sagte der Mama, daß ich erwartet hätte, daß sie sich strafbar macht.
Und dann erklärte ich ihr so ruhig wie nur möglich, daß ich den Grund und Boden meines Vaters nicht verlassen werde, bevor sie für die Joschi nicht alles getan habe, was nur möglich sei. »Du bist
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