Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
erkennen. Noch nicht. Auf der Polizeischule hatte Hell gelernt, dass ein Täter mit der Auswahl seiner Opfer immer ein Mosaiksteinchen lieferte, das zu seiner Verhaftung führt. Dempf war ein solches Mosaiksteinchen. Hatte er auch Kontakt mit der Zoophilenszene, dann war er sogar ein großes Mosaiksteinchen. Er hatte im Laufe seiner Polizeikarriere die Erfahrung gemacht, dass immer etwas zurückblieb an einem Tatort. Unsichtbares. Etwas, was die KTU nicht zutage fördern konnte. Die sich unermüdlich zwischen Daumen und Zeigefinger drehenden Pinselchen förderten vieles zutage. Aber nicht alles. Das war fast immer so. Im Rausch des Verbrechens wurde mancher Täter nachlässig. Vergesslich. Das musste man herausfinden. Dafür war jetzt Franziska Leck zu ihrer Unterstützung gekommen. Franziska Leck. Er sah sie vor sich. Sollte er sie noch anrufen? Er zögerte.
Klauk riss ihn aus seinen Gedanken. Er tat ins Zimmer. Auf seinem Arm trug er einen Anzug und ein gebügeltes Hemd, in einer Tüte hatte er ein Paar Schuhe. Hell hatte ihn geschickt, bei ihm daheim neue Kleidung zu holen. Mit den blutigen Sachen konnte er nirgends hingehen. Außerdem war es ihm zuwider.
„Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Chef?“
„Ja“, antwortete Hell knapp.
Klauk druckste herum. „Chef, ich war ja bei Ihnen in der Wohnung. Sind Sie sicher, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist?“
Hell schaute ihn an. „Was meinen Sie, Klauk?“
„Ich habe ihren Schlüssel genutzt, so wie sie es mir gesagt hatten. Ich bin hoch in ihr Schlafzimmer gegangen. Als ich die Türe öffnete, ist es mir sofort aufgefallen.“ Er stockte.
„Was ist Ihnen aufgefallen?“ Hell stand mit einem Ruck auf und kam auf Klauk zu. Der blickte ihm genau in die Augen.
„Es roch nach Benzin in Ihrem Schlafzimmer. Ich hatte schon auf der Treppe den Geruch wahrgenommen, aber noch gedacht, ich würde mich täuschen. Leider war das nicht so. Jemand hat Benzin in Ihrem Schlafzimmer vergossen. Chef, wer tut so etwas?“ Er betrachtete seinen Vorgesetzten mit besorgtem Blick.
Hell verlor den Boden unter den Füßen. Christoph. Natürlich, es war Christoph. Erst der leere Kanister, jetzt das Benzin. Eine Drohung. Doch warum? Warum tat er das? Was sollte er Klauk antworten? Hell wandte sich ab.
„Vielen Dank, Klauk. Vielen Dank, dass Sie mir meine Sachen geholt haben. Ich kümmere mich um diese Angelegenheit.“ Er konnte auf keinem Fall seinem Kollegen von Christoph erzählen. Warum eigentlich nicht? Nein, das ging nur ihn etwas an. Niemanden sonst.
„Chef, das ist keine Angelegenheit. Das ist eine Drohung oder vielleicht sogar ein Mordanschlag. Das können Sie nicht so stehen lassen. Was kann ich tun?“ Klauk kam einen Schritt auf seinen Vorgesetzten zu. Er suchte Blickkontakt. Hell verweigert ihn.
„Klauk, Danke für ihr Angebot. Ich weiß das zu schätzen, ehrlich. Das ist etwas Privates und das muss ich alleine klären.“ Hell nahm sich die Schuhe aus der Tüte und stellte sie vor sich auf das Bett.
„Etwas Privates? Sie haben aber aparte private Probleme. Entschuldigung, Chef.“ Klauk hob beide Arme nach oben. Er musste es respektieren, auch wenn es ihm nicht passte. Hell hatte wohl nicht genug Vertrauen zu ihm.
„Klauk, ich werde Ihnen später erklären, worum es geht. Nicht jetzt, bitte.“ Hell schlüpfte in seine Anzugshose.
„Schon gut, Chef, später.“ Klauk verließ das Zimmer.
Hells Gedanken überschlugen sich. Was sollte er nun machen? Nach Hause fahren? Sich in die Luft sprengen lassen? Dort Christoph treffen und sich mit ihm streiten? Nicht nach Hause fahren? Wo sollte er hin? Er griff sein Handy. Und er fischte mit zwei Fingern eine blutige Visitenkarte aus der Tasche seines schwarzen Beerdigungsjacketts. Er warf das Jackett zusammen mit der Hose in den Mülleimer.
*
„Wir können davon ausgehen, dass er von demselben Täter getötet wurde, nur aus einem anderen Grund“, sagte Franziska Leck. Sie nippte an ihrem Wein.
„Ein anderer Grund?“, fragte Hell.
„Ja, das Motiv mag ähnlich sein, nur diesmal ist es persönlicher. Er hat versucht, dem Mann in den Kopf zu schießen. Lohse hat er wie ein Jäger getötet, diesen Mann hat er aus Rache getötet. Da bin ich mir sicher.“
„Und Flottmann?“
„Flottmann ist eine Warnung gewesen. Der ist eine Nebenfigur, da lohnt sich kein Mord. Er denkt so. die, die er für die Bösen hält, tötet er, die Mitläufer nicht.“ Sie nickte bestätigend.
„Da kristallisiert sich etwas
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