Oliver Hell - Das zweite Kreuz
brummte Hells Handy. Er nahm es aus der Jackentasche. Auf dem Display stand ‚ Bereitschaft ‘. Auf jeden anderen Anruf hätte er nicht reagiert, doch jetzt musste er den Anruf annehmen.
Man teilte ihm mit, dass die Frau des Arztes Doktor Walters einen Herzinfarkt erlitten hatte. Sie sei auf dem Wege ins Krankenhaus verstorben. Hell dankte den Beamten und steckte das Handy weg. Er stand auf dem Marktplatz und überlegte. Bis zum Café Göttlich war es nur noch ein Katzensprung. Er drehte sich um und ging zurück zum Präsidium. Keine Zeit, um sich kurz eine Auszeit zu nehmen.
Er rief bei Wrobel in der KTU an.
„ Hör mal Tim. Wir haben ein Problem. Sollte sich der Entführer bei Frau Doktor Walters melden, erreicht er niemanden. Sie ist an einem Herzinfarkt verstorben“, sagte er.
„ Wann? Heute?“ Wrobel klang überrascht.
„ Ja, ich habe gerade einen Anruf mit dieser Nachricht erhalten. Kein Entführer glaubt uns, wenn wir ihm das verkaufen wollen. Wir brauchen jemanden von der Familie, der dort anwesend ist. Selbst wenn ich nicht erwarte, dass er sich jetzt erst meldet. Aber wir müssen vorbereitet sein.“
„ In Ordnung. Wir werden dort hinfahren. Ist denn noch jemand von der Streife vor Ort?“
„ Sorry, habe ich nicht gefragt. Aber ich denke schon. Frag einfach nach. In Ordnung?“, antwortete Hell.
Er blickte in die Auslage eines Ladens, ohne wahrzunehmen, was er dort sah. Seine Frage verlangte nach keiner Antwort. Deshalb beendete Wrobel das Gespräch.
Er leitete alle notwendigen Maßnahmen ein.
*
Er konnte sich mal wieder nur über die Begriffsstutzigkeit seiner Studierenden wundern. Trotz intensiver Vorbereitung war das Ergebnis der Probeklausur alles andere als zufriedenstellend ausgefallen. Sven-Ferdinand Walters legte die letzte Klausur auf den Stapel. Der linke Stapel mit denen, die bestanden hätten, war ebenso hoch wie der mit den Durchfallern. Würde diese Klausur gewertet, fiele tatsächlich die Hälfte seiner Studierenden durch. Woran lag es? Nur an der Begriffsstutzigkeit? Oder, weil es sich um eine Probeklausur handelte? Er wusste, viele der Studenten fingen erst Tage vor den reellen Klausuren an zu lernen, stopften sich dann das Kurzzeitgedächtnis voll. Mut zur Lücke hieß es bei den Probeklausuren. So konnte man seinen Wissensstand ermitteln.
Sven-Ferdinand Walters hatte so nicht studiert. Sein Vater hätte ihm den Geldhahn zugedreht, wenn er in einer Klausur durchgefallen wäre. Selbst in einer Probeklausur.
Dr. Heinz-Theo Walters kannte die meisten der Dozenten und Professoren an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Daher war er immer bestens über die Leistungen seines Sohnes auf dem Laufenden gewesen. Selbst wenn er einmal nach durchzechter Nacht morgens nicht zur ersten Vorlesung im Hörsaal erschienen war, spätestens mittags war sein Vater darüber informiert. In dieser Zeit hatte er es gehasst, der Sohn eines der bekanntesten Männer Bonns zu sein. Hatte es doch auch viele Vorteile und Annehmlichkeiten mit sich gebracht.
Er stand auf, um sich Wasser für einen Tee zu machen, als die Türe zu seinem Büro aufging. Mit einem seltsam belegten Blick schob sich die Fachbereichssekretärin in den Raum.
„ Entschuldigen Sie die Störung Herr Walters, hier ist die Polizei für Sie“, sagte sie und gab den Blick auf eine junge Polizistin frei.
Für Lea Rosin war es das erste Mal, dass sie jemandem eine Todesnachricht übermitteln musste. In diesem Fall war es nicht nur das. Die Entführung des anderen Elternteiles stand ebenfalls noch im Raum. Um nicht völlig alleine zu sein, hatte sie Sebastian Klauk gebeten, sie zu begleiten.
„ Guten Tag, Herr Walters. Mein Name ist Rosin, das hier ist mein Kollege Klauk.“
„ Sehr erfreut. Was kann ich für Sie tun? Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wasser? Tee?“, fragte der junge Doktorand mit den schon beginnenden Geheimratsecken.
Lea Rosin war nicht wohl in ihrer Haut. „Herr Walters, wir sind leider hier, weil wir schlechte Nachrichten haben.“
Walters schaute verdutzt. „Was habe ich getan? Zu viele Strafzettel gesammelt. Ich gelobe Besserung“, sagte er und hob die Hände vor sich, als hätte jemand „Hände hoch“ gerufen.
„ Nein, das ist es leider nicht. Es geht um ihre Eltern, Herr Walters. Es tut mir sehr leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Mutter heute gestorben ist.“
Walters ließ die Hände sinken. Sein Blick verriet Ungläubigkeit. „Woran?“, presste er
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