Oliver Hell - Das zweite Kreuz
Mercedes all die Jahre gewesen sein mochte, der Entführer hatte ihn entdeckt.
Er hatte die Gewohnheiten der Opfer studiert. Er hatte Kenntnisse im Geo-Caching.
Wer war dieser Mann? Beinahe nichts hatte er bislang preisgegeben. Er hielt die Fäden in der Hand. Die Polizei lief mal wieder hinterher. Eine Tatsache, die Oliver Hell nicht schmeckte. Auch die Befragungen von Sohn und Tochter von Dr. Walters hatten nichts ergeben. Klauk und Rosin hatten sich betreten angeschaut, als Hell sie fragte, was die junge Frau gesagt hatte. Es war eine Weile ruhig gewesen im Besprechungsraum. Dann hatte Klauk angefangen zu erzählen.
„ Also, eigentlich hat sie uns gar nichts berichtet.“ Er schaute zu Rosin herüber. Dann fand er die Worte, um die Geschehnisse im Krankenzimmer von Emilie Walters wiederzugeben.
„ Sie saß auf ihrem Bett. Wir hatten erfahren, dass ihr Bruder kurze Zeit vorher bereits bei ihr gewesen war. Sie wusste, was geschehen war.“
Wieder sah er zu Rosin herüber. Scheinbar war ihm etwas unangenehm.
„ Sebastian hat sie angesprochen, ihr nur eine Frage gestellt“, sagte sie.
„ Ja, ich habe sie nur gefragt, ob sie Rosalie Lindemann und Karsten Olbrichs kenne“, sagte Klauk betroffen.
„ Sie ist aufgesprungen wie eine Furie, hat sich auf Klauk gestürzt und immer wieder ein Wort geschrien“, sagte Rosin.
„ Mörder! Mörder! Du verfluchter Mörder! Schrie sie immer wieder. Dann hat sie angefangen, auf mich einzuprügeln. Erst Lea hat sie von mir wegreißen können. Die Frau war völlig neben sich. Ihre Augen! So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Klauk war anzusehen, wie sehr er von den Ereignissen geschockt war.
„ Ich hoffe, dir ist nichts passiert?“
Klauk schüttelte den Kopf.
„ Da ist etwas, was wir nicht wissen“, sagte Hell, „Ist die Frau verrückt? Weiß sie etwas? Oder hat ihre Erkrankung sie dazu gebracht, so zu reagieren, weil ihr Bruder sie vorher schon über die Ereignisse informiert hatte. Hat sie irgendetwas im Kopf verwechselt? Das können wir nicht wissen. Aber es könnte uns helfen, wenn wir es wüssten.“
„ Es kann auch noch schlimmer kommen. Wir wissen nicht, ob er mit seinen Entführungen am Ende ist“, sagte Wendt bedrückt.
„ Stimmt, das können wir nicht wissen. Nur hoffen“, erwiderte Hell.
„ Wollen wir Christina fragen, ob sie uns hilft?“, fragte Rosin.
„ Christina ist krank. Sie muss sich ausruhen. Ich werde Franziska bitten, dass sie sich die Krankenakte der Schwester ansieht. Das hilft uns womöglich weiter“, sagte Hell bestimmt.
„ Wenn wir das dürfen“, sagte Klauk.
„ Wenn wir das dürfen“, wiederholte Hell gedankenverloren.
Der abendliche Verkehr war nicht so stark gewesen, wie sonst. Hell parkte seinen Mercedes unter dem neu aufgestellten Carport. Es war nach halb acht. Christoph würde sicher auch bereits daheim sein. An nichts gewöhnte man sich so schnell, wie an ein intaktes Familienleben.
Er ging mit dem Schlüssel in der Hand herüber zur Eingangstüre. Sofort fiel ihm auf, etwas war anders. In den letzten Wochen hatte er sich damit abgefunden, von lautstarker Rockmusik begrüßt zu werden. Die dröhnte aus dem Lichtschacht vom Keller herauf. Doch heute war es still. Keine Musik. Vielleicht war Christoph noch nicht daheim. Er hängte das Jackett in der Diele auf.
In der Küche verriet ihm ein Teller auf dem Tisch mit Resten von einem Stück Kuchen, dass sein Sohn zuhause sein musste. In puncto Ordnung hatte sich leider noch nichts gebessert. Doch nahm er das gerne in Kauf. Alles lief wirklich gut. Sie fühlten eine solche Harmonie, wie sie es noch nie erlebt hatten.
Er stieg die Stufen in den Keller hinab. Erst hier hörte er Musik. Leise Musik. Kein heftiger Rock wie sonst.
Mit den Worten „Hallo Christoph, hast Du Hunger? Wollen wir uns eine Pizza bestellen?“, öffnete er schwungvoll die Türe.
Keck geschwungene Augenbrauen, hohe Wangenknochen, blitzende blaue Augen, schwarzes, langes Haar. Hell hatte seinem Sohn keinen so guten Geschmack zugetraut. Aber noch mehr, als er über das Aussehen der Frau überrascht war, umso mehr überraschte ihn die Tatsache, dass sein Sohn gerade dabei war, ihre üppigen Brüste zu massieren. Sie stieß einen kleinen Schrei aus; sofort bedeckte sie ihre Nacktheit mit ihren Armen. Dunkle Locken bedeckten ihre Schultern.
„ Mann, Papa! Kannst Du nicht anklopfen?“, nörgelte Christoph genervt. Er schaute ihn über die Schulter hinweg strafend an.
Hell wandte
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