Oliver Hell - Das zweite Kreuz
Wendt hatte es einen Anruf beim Kraftfahrtbundesamt gekostet. Jetzt wusste er, ein heller Mercedes Strich-Acht war von neunzehnhundertdreiundsiebzig an für fünf Jahre auf Heinz-Theo Walters zugelassen. Danach war das Fahrzeug abgemeldet. Es tauchte aber nicht wieder auf. Ebenso gab es keine Meldung über eine Verschrottung des Fahrzeugs. Also war der Mercedes seit neunzehnhundertachtundsiebzig nicht mehr auf der Straße gewesen.
Es gab ja Menschen, die ihre Autos eine Weile fuhren und sie dann abstellten, um so lange zu warten, bis man sie als Oldtimer verkaufen konnte. Das passierte aber nicht schon nach fünf Jahren. Wo war er fünfunddreißig Jahre lang gewesen? So viele Jahre? Das Auto war schon verschwunden, als ich noch nicht auf der Welt war, dachte Wendt.
Wendt schaute sein Display nach der Nummer von Seib.
„ Hör mal Dennis“, sagte Wendt, nachdem sich Seib gemeldet hatte, „Es geht noch einmal um den Mercedes Strich-Acht. Haben wir eine Möglichkeit die Fahrgestellnummer herauszufinden? Das wäre echt wichtig.“
„ Das Schild wurde entfernt und alles sauber gemacht.“
Wendt war enttäuscht, aber er gab noch nicht auf. „Aber ihr habt doch immer noch einen Trick in der Hinterhand. Die Nummern sind doch geprägt. Hinterlässt das keine Spuren auf dem Lack bei einem so alten Fahrzeug?“
Seib murmelte etwas vor sich hin, was Wendt nicht verstand.
„ Was?“, fragte er.
„ Ich habe eine Idee. Komm mal in der Garage vorbei. Ich kann für nichts garantieren, aber einen Versuch ist es wert.“
Als Wendt in der Garage der KTU eintraf, hing Seib schon mit dem Bauch auf dem Motorblock des Strich/Acht.
„ Man kann eventuell auch über die Vergaser-Nummer etwas erfahren. Dazu muss man aber bei Mercedes anrufen. Aber meine Idee ist eine andere“, brummte er.
Er krabbelte wieder auf seine Beine und reichte Wendt einen Zettel mit der Nummer des Vergasers.
„ Danke.“
„ Du weißt ja, man kann auch bei Waffen die entfernten Seriennummern wieder sichtbar machen. Mit der Fry’schen Methode. Das geht auch bei eingestanzten Seriennummern oder Fahrgestellnummern. Hier ist aber die Nummer auf einem Aluminiumschild angebracht. Das Schild wurde entfernt. Aber“, sagte er und erhob seinen Ton, „Wenn wir Glück haben, klappt das, was ich jetzt vorhabe.“
Auf dem fahrbaren Wägelchen neben dem Mercedes lag ein überdimensionaler Hufeisen-Magnet. Daneben ein Schälchen mit feinen Eisenfeilspänen. Eine Spiegelreflex wartete auf ihren Einsatz, um einen etwaigen Erfolg zu dokumentieren.
Wendt ahnte, was der Kriminaltechniker plante.
Seib nahm den Magneten und platzierte ihn auf die Stelle, an der das Schild gesessen hatte. Er wartete ein paar Sekunden, dann nahm der den Magneten ab und streute die Eisenfeilspäne darüber.
Sofort ordneten sich die Späne an. Seib nahm die Kamera und machte ein Foto. Wendt sah nur ein wirres Muster.
Seib strahlte. „Das hat geklappt.“ Wendt zweifelte daran. Doch ging er Seib hinterher bis zu seinem Platz.
Der Techniker nahm den Chip aus der Kamera. Er steckte ihn in den passenden Schlitz im Card-Reader und öffnete flink ein Bearbeitungsprogramm.
Sekunden später hatte er das Bild auf dem Rechner. Ein paar Klicks und Wendt konnte eine Nummer auf dem Bildschirm lesen.
„ Manchmal hilft auch die gute alte Physik weiter“, triumphierte Seib lächelnd.
„ Super. Du bist für heute mein Held“, sagte Wendt. Er zog einen Zettel aus der Jackentasche. Darauf hatte er die Fahrgestellnummer notiert, die er beim Kraftfahrtbundesamt erfragt hatte.
Die Nummern waren identisch.
„ Es ist der Mercedes von Dr. Walters. Das wäre jetzt klar. Ich danke dir Dennis.“ Er wandte sich zum Gehen, als ihm noch etwas einfiel. „Ach ja, seid ihr schon mit dem Silikat-Staub weiter gekommen?“
„ Nein, deine Kollegen wollten sich darum kümmern“, antwortete Seib.
„ Na dann“, sagte Wendt und hob die Hand zum Gruß.
Wie eine kostbare Trophäe legte er Klauk den Zettel mit der Fahrgestellnummer auf den Tisch.
Der schaute zerknirscht, weil er eben erfahren hatte, dass er heute in der Requisitenkammer des Bonner Theaters niemanden mehr antreffen würde.
„ Die Nummer?“, fragte Klauk.
„ Ja, die Nummer. Und ich habe herausgefunden, dass der Mercedes nach neunzehnhundertachtundsiebzig nicht mehr angemeldet war. Weder auf Walters, noch auf jemand anderen.“
„ Wo war der denn so lange?“
„ Wenn wir das herausfinden, dann haben wir auch eine Spur, die uns
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