Oliver Hell - Das zweite Kreuz
ihr nach. Mit großen Schritten ging sie aus Gauernacks Büro.
*
Rosin nahm die Treppe im Laufschritt. Oben angekommen wurde sie bereits von Christina Meinhold erwartet.
„ Hallo Lea, wo ist Sebastian?“, fragte sie und nahm Lea in den Arm. Sie trug ein dunkles T-Shirt mit V-Ausschnitt.
„ Die sind noch alle im Präsidium und warten auf einen Anruf von der Hansen.“
„ Hansen?“
Rosin schilderte Meinhold mit wenigen Worten die Situation und ihre Pläne.
Sie hörte genau zu. Dann strich sie sich das Haar aus der Stirn. „Ich würde es genehmigen. Aber ob sich ein Richter darauf einlässt, bezweifele ich.“
„ Warum? Du sagst doch selber, dass es schlüssig ist. Wenn das kein Grund für eine eingehende Untersuchung ist, weiß ich es nicht.“
Sie ließ sich auf das Sofa plumpsen. Meinhold bot ihr ein Glas O-Saft an. Sie nickte eifrig.
Da fiel ihr ein, dass sie ihre Kollegin etwas fragen wollte. „Sag mal Christina, wie ist von hier die Busverbindung zum Präsidium? Oder kriegt man hier immer einen Parkplatz?“
„ Warum fragst Du? Willst Du bei mir einziehen“, fragte Meinhold scherzend.
Rosin strahlte. „Ich habe eben ein Schild von einem Makler gesehen. Hier in der Straße. Die Häuser hier sind alle so toll. Viel toller als in Köln. Ich will ja weg aus dem Viertel dort.“
Meinhold schmunzelte. „Es wohnt sich hier toll. Parkplätze sind allerdings Mangelware.
„ Egal, wenn ich so eine Wohnung mit Stuckdecke hätte, dann würde ich auch die Parkplatzsuche in Kauf nehmen“, sagte Rosin und schaute zur Decke in Meinholds Wohnung. Dort gab es ebenfalls ein wunderbares Stuckmotiv. Die Raumhöhe war ebenfalls typisch für die Häuser in der Bonner Altstadt. Rosin ließ sich zur Seite fallen und betrachtete die Decke.
„ Die Mieten hier sind auch ganz schön gepfeffert“, sagte Meinhold.
„ Ach egal, ich schreibe nachher mal die Nummer vom Makler auf und rufe morgen da mal an. Schaden kann es ja nicht.“
Meinhold nahm ein Haargummi vom Tisch und fummelte sich einen unordentlichen Zopf zusammen.
„ Und sonst?“
„ Alles bestens“, sagte Rosin und nahm den Blick nicht von der Decke. Meinhold nahm ein Magazin in die Hand und zeigte ihrer Kollegin einige Wohnbeispiele. „Hier, schau mal. Das hatte ich mir überlegt. Was hältst Du davon?“
„ Menno, musst Du mir das jetzt zeigen? Ich nehme dich sonst noch beim Wort und ziehe bei dir ein.“
Sie lachten. „Was denkt ihr, was das Motiv für den Mord ist? Wenn es ein Mord sein sollte?“, fragte Meinhold in die Situation hinein.
Rosin musste erst umschalten. Sie überlegte. „Beziehungstat? Wir haben keine Ahnung. Die Witwe machte einen netten Eindruck. Aber viele Mörder machen einen netten Eindruck. Daher wäre es ja so wichtig, wenn wir die Erlaubnis für die Exhumierung bekämen.“
Meinhold nickte gedankenverloren. Sie spekulierte, wie sie argumentieren würde, wäre sie anstelle von Brigitta Hansen. Sicherlich würde sie das Leben der Entführten in den Vordergrund rücken. Es gab drei Menschen, deren Leben Vorrang vor der Ruhe eines Toten hatten. Hinzu kam noch die Tatsache, dass hier eventuell ein weiteres Verbrechen entdeckt und aufgeklärt werden könnte. Sie legte das Magazin wieder auf den Tisch.
Rosin hatte Herzklopfen vor Nervosität.
Wie würde der Richter entscheiden?
*
Hell war sicher, die Exhumierung wäre ein feiner Plan. Mit gespannter Erwartung saß er in seinem Büro. Er hatte die Füße auf dem Schreibtisch liegen. Mit geschlossenen Augen überlegte er gerade, wo er seine Hallenschuhe aufbewahrte. Da klingelte das Telefon. Blitzschnell wuchtete er die Füße vom Tisch. Mit einer Sekunde Verzögerung nahm er das Telefon von der Ladeschale.
„ Hell.“
„ Hier ist Brigitta Hansen. Sie haben ihre Erlaubnis zur Exhumierung. Staatsanwalt Gauernack wird alles Weitere in die Wege leiten. Dann hoffen wir mal, dass ihre Spürnase auch diesmal wieder richtig liegt.“
Hells Herz tat ein Hüpfer vor Erregung. Er hätte ihr gerne gesagt, dass es nicht seine Spürnase gewesen war, sondern die von Lea Rosin. Doch wäre es ihr wahrscheinlich egal gewesen.
„ Vielen Dank, Frau Oberstaatsanwältin“, sagte er.
„ Jaja, schon gut. Machen Sie was draus. Guten Abend noch, Herr Kommissar.“
Er wünschte ihr ebenfalls einen guten Abend, stand auf und rannte herüber ins Zimmer von Wendt und Klauk.
„ Wir haben die Erlaubnis. Seid morgen früh hier. Gauernack leitet die Exhumierung. Geht jetzt heim, es ist
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