Oliver Hell - Das zweite Kreuz
sie.
„ Ja, stimmt. Ich bin Lea“, sagte sie freundlich, aber ihren wahren Gedanken verbergend.
*
Hell stand in seinem Garten und sog die würzige Luft ein. Er hatte schon lange nicht mehr dort gestanden. Der Garten war noch im Winterschlaf. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er sich seinen Beeten und der Buchenhecke widmen musste. Er war kein sonderlich fanatischer Gärtner, doch genoss er sehr die Ruhe, die ein Garten nach einem anstrengenden Tag ausstrahlte. Bis dahin war es aber noch eine Weile. Das Wetter war nicht offen genug, um schon Gartenarbeiten zu erledigen. Oliver Hell trug seinen Sportdress. Das Sporthemd spannte auch nicht mehr, so wie noch im Sommer zuvor, nachdem er aufgehört hatte zu rauchen. An seinen Füßen trug er die Indoor-Sportschuhe, die er im Keller in einer Kommode gefunden hatte. Hell hatte im Keller etwas vorbereitet. Als Christoph noch ein Jugendlicher war, hatten sie oft in einem Raum Fußball gespielt. Eins gegen eins. Diese Angewohnheit war dann irgendwann einmal eingeschlafen.
Hell fand in der Garage die beiden Tore. Sie waren in keinem guten Zustand. Die grünen Netze waren an einigen Stellen nicht mehr mit dem Aluminiumrahmen verbunden. Er hatte sie nun mit Kabelbindern wieder befestigt.
Den Kellerraum befreite er von allerlei Dingen, die niemand mehr benötigte. Dinge, die noch benutzt werden konnten, hatte er auf den Speicher gestellt.
Im Kellerraum warteten jetzt die beiden Tore. In der Mitte lag ein frisch aufgepumpter Fußball.
Hell wurde aus seinen Gedanken gerissen. Im Haus hinter ihm waren Stimmen zu hören. Er schob die Türe beiseite. Er lauschte. Christoph war nicht alleine. Er erkannte die Stimme seiner Freundin.
Er schob die Verriegelung des Fensters nach unten und ging dorthin, wo die Stimmen herkamen.
Christoph und Jasmin waren in der Küche. „Guten Abend ihr beiden“, sagte er. Christoph inspizierte gerade den Kühlschrank.
„ Ach, hallo Papa. Du bist daheim“, sagte er und grinste ihn an. Jasmin sagte artig „Guten Abend, Herr Hell.“
„ Was hast Du vor? Sport machen? So kenne ich dich gar nicht mehr.“ Er stellte Butter und Aufschnitt auf die Anrichte.
„ Ja, ich wollte ein wenig Sport machen“, sagte Hell traurig. Den Unterton hörte sein Sohn jedoch nicht.
„ Wir essen nur kurz etwas, dann sind wir auch schon wieder weg. Wir wollen ins Kino. Das ist doch in Ordnung, oder?“
Hell schaute die beiden jungen Leute mit gespielter Freude an. „Sicher, warum sollte es nicht in Ordnung sein. Kino macht sicher viel Spaß.“ Hell schluckte. Er hätte es seinem Sohn sagen sollen. Woher sollte er von seiner Überraschung wissen können? Doch sollte sein kleines Geheimnis ein Geheimnis bleiben. Bis heute.
„ Du solltest aber noch eine Joggingjacke anziehen, sonst wird es zu kalt. Du sollst dich ja nicht erkälten, Papa. Eine Mütze wäre auch angebracht“, sagte Christoph noch scherzend.
„ Danke, ich werde deinen Rat beherzigen“, sagte Hell, „Ich wünsche euch viel Spaß im Kino.“
Da war er wieder. Der Bulle, der keine Schwäche zeigt. Der Bulle verließ die Küche und ging hinunter in den Keller. Er schloss die Türe hinter sich und drückte seinen Rücken dagegen. Als er wieder die Augen öffnete, sah er vor sich auf dem Boden den Fußball liegen.
*
Das Licht der Taschenlampen zuckte durch den Wald. Manchmal trafen sich die Lichtkegel an einem Punkt, doch meist tanzten sie wie Irrlichter herum. Seit zwei Stunden war die kleine Gruppe jetzt bereits unterwegs. Lea Rosin heuchelte weiter Interesse. Die Idee, sich in der Szene der Geocacher umzutun, kam ihr plötzlich so absurd vor. Am liebsten wäre sie heimgefahren.
Felix Rath begrüßte die Gruppe mit den Worten: „Geocaching ist eine Art elektronische Schatzsuche oder Schnitzeljagd. Die Verstecke, „Caches“ genannt, werden anhand geographischer Koordinaten im World Wide Web veröffentlicht und können anschließend mit Hilfe eines GPS-Empfängers gesucht werden. Doch braucht man nicht zwingend die elektronischen Hilfsmittel. Auch die Suche ohne GPS-Empfänger ist mittels genauen Kartenmaterials möglich.“ Er schaute sich um, weil er es gewöhnt war, dass sofort die ersten Fragen gestellt wurden. So war es auch jetzt.
„ Wer macht eigentlich dieses Geocaching? Ich bin zugegebenermaßen nur hier, weil ich neugierig bin“, sagte eine Frau, die neben Lea stand. Sie schaute sich lachend um. Die Gruppe nickte zustimmend.
Felix Rath hatte ein breites Repertoire
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