Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Körper umströmte. Solange blieb sie sitzen. Bleib wach, sagte sie sich, bleib wach. Sie fühlte sich wieder wie ein kleines Mädchen, was daheim unter der Dusche saß. Und das kleine Mädchen schlief ein.
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Agayer war angenehm überrascht. Zur vereinbarten Zeit hielt das Taxi vor seiner Türe. In Baku war Pünktlichkeit bei den Taxiunternehmen Mangelware. Die Straßen waren meist so heillos verstopft mit Autos, Bussen und Motorrädern, dass ein Taxi meist nie pünktlich ankam. Daher galt es als hilfreich, sie immer eine halbe Stunde vor der Zeit zu bestellen. Das hatte Agayer nicht getan, trotzdem erschien der Fahrer mit dem älteren, deutschen Mercedes pünktlich um halb sieben.
Der Flughafen Heydar Aliyev International lag fünfundzwanzig Kilometer östlich von Baku. Er war benannt nach dem Vater des jetzigen Präsidenten, der dieses Amt vor seinem Sohn bekleidete. Das Taxi benötigte eine halbe Stunde bis dorthin. Agayer hatte noch genügend Zeit, sich am Schalter zu melden, und sein Visum in Empfang zu nehmen. Dem weißen Umschlag mit den weiteren Informationen schenkte er noch keine Beachtung. Er hatte auf dem Flug nach Frankfurt genügend Zeit für die Lektüre.
Pü nktlich um acht Uhr Ortszeit hob die Boeing 747 ihre Nase in den Himmel. Der Pilot begrüßte seine Fluggäste. Er wiederholte die Meldung des Towers. Der meldete sechzehn Grad und keinen Regen für Baku. In Frankfurt hingegen würde die Fluggäste Nieselregen mit Temperaturen um die fünf Grad erwarten. Agayer schauderte bei dem Gedanken.
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Meinhold hatte die Nacht nicht wirklich gut geschlafen. Als sie das erste Mal wach wurde, war es halb drei Uhr in der Nacht. Nach einer Weile war sie aufgestanden, hatte etwas Milch getrunken, und sich wieder ins Bett gelegt. Nach zwei Stunden war sie wieder wach. Sie wälzte sich herum, versuchte eine bequeme Stellung zu finden, um noch die zwei Stunden zu schlafen, bis sie aufstehen müsste. Sie fiel in einen unruhigen Schlaf.
Wieder erschien Zylau mit seiner Waffe, wieder wachte sie schweißgebadet auf. Halb sechs. Sie konnte nun aufstehen und sich noch eine Weile vor die Glotze setzen, oder vor den Rechner. Weder der eine noch der andere Gedanke gefielen ihr. Schließlich schlug sie die Decke beiseite und wälzte sich aus dem Bett. Sie tappte ins Bad. Sie versuchte mit Zähneputzen die Erinnerung an den fiesen Traum wegzuputzen, der sie nun fast jede Nacht heimsuchte. Du musst wieder zur Therapie gehen, sagte sie sich.
Wä hrend der Kaffee in der Küche durchlief und einen angenehmen Duft verströmte, stellte sie sich so lange unter die Dusche, bis ihr Körper fast wieder die angenehme Wärme des Bettes hatte. Danach stieg sie in ihre kalten Jeans und zog sich den warmen, blauen Pullover an, den sie am Abend vorher ausgezogen hatte. Mit dem heißen Kaffee in der Hand ließ sie sich vor den PC auf den Drehstuhl fallen. Der wippte einmal kräftig durch.
Der PC fuhr hoch. Der Bildschirm beleuchtete kurz ihr Gesicht blau. Dann baute sich langsam ihre Startseite auf. Es war nicht das neueste Programm, was sie auf dem Rechner hatte. Sie loggte sich in ihr Mailprogramm ein, löschte die Spam-Mails. Dabei fiel ihr eine Mail auf, die dort nichts zu suchen hatte. Sie kam von der Fortbildungsanstalt des BKA. Es ging um ihre Bewerbung als Operativer Fallanalytiker, dem deutschen Pendant zum amerikanischen Profiler. Mit zittriger Hand klickte sie doppelt auf die linke Maustaste und begann die Mail zu lesen.
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Klaus Behrend stand am Gate und machte einen langen Hals. Er trug ein Schild in der Hand, auf dem in krakeliger Schrift ‘Mr. Agayer‘ geschrieben stand. Er war nicht der Einzige, der am Frankfurter Flughafen so auf Fahrgäste wartete. Noch drei andere Fahrer standen alleine an diesem Gate. Sie hielten gelangweilt ihre Schilder vor sich. Die Limousinen-Serviceagenturen schickten ihre Fahrer los, um Fluggäste im Auftrag der Firmen in der Innenstadt abzuholen. Für Klaus Behrend war es eine gute Tarnung. Er wartete auf Mashad Agayer. Er wusste nicht, wie der Mann aussah. Er hatte nur einen kurzen Anruf von Ruslan Shukarov erhalten, dass er Agayer an diesem Morgen am Frankfurter Flughafen abzuholen hatte.
So stand er dort und wartete. Der weitere Weg wü rde sie in die Innenstadt der Mainmetropole führen. Jetzt kam ein ungefähr vierzigjähriger Mann mit ausgeprägten Wangenknochen auf ihn zu. Der Mann pellte sich durch die Menge der anderen Fluggäste und suchte seinen Blick. Er stellte
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