Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
man sich bei Ihnen melden. Es gab ja verdeckte Untersuchungen, die nicht in den allgemein zugänglichen polizeilichen Intranet-Verzeichnissen auftauchten.
„ Es gibt auch nichts weiter zu berichten“, sagte Wendt, der sich an seiner sicherlich zwanzigsten Tasse Kaffee für diesen Tag festhielt.
„ Dr. Pütz ist seit dem Morgen in der Gerichtsmedizin und arbeitet an einer forensischen Zeichnung“, sagte Klauk, „Ich war kurz dort, aber die Türe war von innen verschlossen. Es antwortete auch niemand auf mein Klopfen.“
Er konnte nicht wissen, dass Dr. Pü tz in einer Ecke des Obduktionsraumes saß. Das Licht ausgeschaltet, den Zeichenblock umklammernd, saß sie zitternd neben dem umgestürzten Rollwagen, auf dem zuvor noch die Obduktionswerkzeuge fein säuberlich gelegen hatten. Die lagen nun verstreut im Raum. In einem Anfall von Zorn hatte sie den Wagen umgestoßen. Sie konnte bei der Arbeit ihren Blick nicht von den Dingen darauf abwenden. Die Zeichnung war trotzdem beinahe fertig. Keiner würde bemerken, was hier passiert war. Da war sie sich sicher.
„ Dr. Pütz wird sicher Ruhe benötigen“, sagte Meinhold, „Wenn ständig einer über ihre Schulter schaut, dann kommt sie nicht weiter mit ihrer Arbeit.“
Im Ersatzobduktionsraum kroch Dr. Pü tz gerade auf allen Vieren auf dem Boden. Sie suchte die Instrumente zusammen. In völliger Dunkelheit. Die Dunkelheit war ihr Schutz vor der Krankheit. Wie eine schwarze Decke lag die Dunkelheit über ihrem gepeinigten Gehirn. Sie tastete unter dem Obduktionstisch nach einem fehlenden Skalpell. Alle anderen Dinge hatte sie bereits wieder auf dem Wagen abgelegt. Fein säuberlich. Das letzte Skalpell fehlte noch. Sie kroch weiter, stützte sich mit der linken Hand auf dem Bodenfliesen ab und tastete mit der rechten nach dem Objekt. Plötzlich schrie sie auf. Sie hatte es gefunden, sich mit voller Kraft darauf abgestützt. Das Skalpell hatte einen tiefen Schnitt in ihrer Handfläche hinterlassen. Sie stand auf, tastete sich an der Wand entlang und suchte den Lichtschalter. Sie fand ihn, atmete tief durch und drückte den Schalter nach unten. Grell. Eine halbe Stunde hatte sie im Dunklen verbracht. Das Licht tat in den Augen weh. Sie blickte auf ihre Hand. Der Schnitt war tief, es blutete heftig. Wie sollte sie das erklären? Sie zeichnete. Wie kam sie dann in Kontakt zu einem Skalpell? Egal. Erst einmal musste die Blutung gestillt werden.
Sie ö ffnete die Türe zum Flur. Notlicht. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Viertel vor sieben. Sie ging weiter den Flur entlang, presste die rechte Hand auf die Wunde, spürte das Blut an ihren Fingern vorbeilaufen. Welche Türe? Dort stand ‚Gerichtsmedizin‘ auf einem großen Schild über der Flügeltüre. Sie drückte mit dem Ellenbogen die Klinke herunter. Die Türe sprang auf. Sie blickte hinein. Niemand. Niemand war zu sehen. Die Sektionstische waren leer. Die beiden toten Frauen lagen wieder in der Kühlung. Sie stand dort, das Blut tropfte auf die hellen Fliesen. Ihr Hirn funktionierte weiter, trotz der Angst und der Schmerzen. Wie viele Fliesen? Wie viele Lampen an der weißgetünchten Decke? Wie viele Instrumente lagen auf wie vielen Wagen bereit? Sie schaute sich um. Was konnte man zum Verbinden nutzen? In der Gerichtsmedizin wurde selten verbunden. Was sollte verbunden werden? Es wurde geöffnet, untersucht, zugenäht. Das war’s. Sie öffnete die Türe zum Nebenraum. Dort hingen einige der grünen Kittel auf den Haken. Sie nahm einen und wickelte ihn sich fest um das linke Handgelenk. Da fiel ihr Blick auf einen Erste-Hilfe-Koffer. Sie nahm ihn aus der Verankerung, trug ihn in den Obduktionsraum, legte ihn auf den Tisch und entriegelte ihn. Er klappte auf. Darin fand sie eine Kompresse und Verbandsmaterial. Sie wickelte den Kittel von der Hand und ließ ihn zu Boden fallen.
„ Was haben Sie denn?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Dr. Pütz fuhr herum. Dr. Beisiegel stand in der Türe.
„ Oh, ich war ungeschickt“, sagte sie spontan, „Habe mich an einem Skalpell verletzt. Wie dumm.“
Dr. Beisiegel trat schnell neben ihre Kollegin. „ Zeigen Sie mal her. Ich habe die Blutspur auf dem Boden gesehen und hatte schon große Sorge.“
Dr. Pü tz Blick war fahrig, ihre Augenlider flatterten. Peinlich. „Ach, es ist nichts. Ich war nur ungeschickt.“
„ Es wäre besser, wenn man das näht“, sagte Dr. Beisiegel.
„ Meinen Sie?“
„ Ja, meine ich. Nehmen Sie sich den Stuhl dort. Ich hole
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