Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Erinnerung erst peu á peu wieder kommen.
„ Tatsächlich? Wo ist die Waffe deines Vaters?“, fragte der Polizist.
„ Die hat einer der Entführer aufgehoben“, antwortete Christoph.
„ Kannst Du sie beschreiben? Wir brauchen Details für die Fahndung nach Ihnen. Je genauer, desto besser.
„ Ja, kann ich. Der mich zuerst angegriffen hat, trug eine schwarze Maske. So eine Mütze, wo Augenlöcher reingeschnitten waren. Auch sein Sweatshirt, und die Hose waren schwarz. Aber er trug blaue Adidas-Turnschuhe. Altes Modell, nichts Cooles. Aber der andere, der auf ihn geschossen hat, der trug keine Maske. Der sah türkisch aus.“
Er ü berlegte kurz, dann sprach er weiter.
„ So wie diese schrecklichen Spacko-Typen aussehen. Braune Augen, schwarzes Haar, an der Seite rasiert. Steppweste, blaue Jeanshose, Turnschuhe von Lacoste. Weiß. Mehr habe ich nicht gesehen.“
Der Polizist staunte. „ Das ist aber eine sehr genaue Beschreibung. Bist Du dir sicher?“
„ Ja, klar bin ich mir sicher. Mein Vater ist Bulle. Früher hat er immer ein Spiel mit mir gespielt. Schau dir die Leute genau an, man weiß nie, wann man es mal braucht.“
Christoph schaute den Polizisten an. Eine Trä ne lief seine Wange herunter. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er um seinen Vater weinte.
*
Klauk erfuhr es als Erster. Die Bereitschaft rief an. Jetzt saß er vor seinem Bildschirm. Benommen starrte er darauf, ohne etwas wahrzunehmen. Die Furcht kroch seine Kehle hoch, bis er meinte, jemand schnüre ihm die Luft ab. Er atmete tief durch, um dieses Gefühl zu bekämpfen.
Hell.
Entführt.
Trä ge wurde der schreckliche Gedanke zur Gewissheit. Seinen Sohn hatte er gerettet. Dafür war er selber in die Falle gegangen.
Wendt. Rosin. Er musste die Kollegen informieren. Nacheinander klingelten die Handys der beiden.
Wendts Kommentar, nach einer langen Pause, war: „Verdammte Scheiße. Komme gleich.“
Rosin sagte erst nichts. Dann rä usperte sie sich. „Sebastian, wenn das ein Scherz ist, dann mache ich dich fertig.“
„ Kein Scherz. Bitterer Ernst.“
„ Wie?“ Ihre Stimme war belegt.
„ Als er seinen Sohn aus der Klinik abgeholt hat. Sie wollten seinen Sohn kidnappen, Hell ging dazwischen.“
Stille. Rosin wischte sich die Trä nen weg. Sie wollte nicht, dass ihr Kollege mitbekam, dass sie weinte. Aber es überkam sie noch mehr.
„ Entschuldige, ich heule grade wie ein Mädchen. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Sorry. Ich komme sofort. Gibt es denn Zeugenaussagen?“, fragte sie und Klauk hörte, dass sie nicht gelogen hatte. Rosin kämpfte mit einem Schluchzen.
„ Die von Christoph und von Dr. Leck. Die Kollegen befragen noch die Klinikinsassen. Ist ja erst eine gute halbe Stunde her.“
„ Ich komme, wenn ich mich beruhigt habe“, sagte Rosin. Sie vergaß, dass sie das Telefon noch in der Hand hielt. Nach einer Weile erst legte sie auf.
Dr. Leck und Christoph wurden mit einem Streifenwagen ins Präsidium gefahren. Sie sahen noch, wie der Wagen der KTU vor der Klinik vorfuhr. Hinter ihnen wurde die ganze Straße gesperrt. Bis zu dem Ort, wo der weiße Lieferwagen mit geöffneten Türen mitten auf der rechten Fahrspur stand. Ein halbes Dutzend Polizeibeamten befand sich dort und regelte den Verkehr. Es war Stoßzeit. Feierabendverkehr. Die Sperrung einer der Hauptverkehrsadern der Stadt würde für viel Ärger sorgen. Die gesamte Kölnstraße bis zur Einmündung Heerstraße war dicht. Doch waren die Polizisten das gewöhnt, beschimpft zu werden, wenn in Bonn der Verkehr mal nicht rollte. Mit stoischer Ruhe winkten sie die Autos weiter. Weitere Beamte sprachen mit Passanten. Sie nahmen Protokolle auf. Zeugenaussagen.
Nebenbei lief schon eine Groß fahndung nach einem dunklen Kombi mit Bonner Kennzeichen. Einer der Zeugen war sich sicher, einen Ford Mondeo erkannt zu haben, ein anderer schwor, es sei ein VW-Passat gewesen.
Christoph sah den Lieferwagen mit dem rechten Vorderrad auf dem Bü rgersteig stehen. So leer, wie er dort stand, kam ihm alles so unwirklich vor. So fremd. Wie in einem Film, den er gesehen hatte.
„ Vielleicht lassen Sie meinen Vater ja auch frei“, murmelte er.
Dr. Leck, die neben ihm auf der Rü ckbank des Streifenwagens saß, blickte zu ihm herüber. Dort sah sie nicht mehr den störrischen jungen Mann, der sie eben noch als Psychotante beschimpft hatte. Dort saß ein ängstlicher Junge, dem bereits wieder die Tränen in den Augen standen. Mit einer mürrischen
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