Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Handbewegung wischte er sie weg.
*
Die Erinnerung hatte einfach ausgesetzt. Hell erinnerte sich noch an Stimmen. Fremdländischer Klang. Er erinnerte sich daran, dass er seine Waffe auf den Mann richten wollte, der plötzlich die Beifahrertüre aufriss.
Er sah die Waffe in seiner Hand.
Der Mann zielte auf ihn. Etwas traf ihn am Hals. Kein Knall.
Augenblicklich wurde die Waffe in seiner Hand schwer wie ein riesiger Klumpen Blei. Er versuchte noch, die Waffe auf ihn zu richten, als seine Beine versagten. Er knickte weg, spü rte, wie er auf dem Boden aufschlug.
Zu seiner Verwunderung fü hlte sich der Boden an wie Watte.
Kein Schmerz. Seine Waffe lag neben ihm. Er starrte sie an, konnte auch seine Augen nicht mehr bewegen.
Er sah Füße, weiße Turnschuhe, wurde gepackt, auf die Ladefläche geworfen. Auch das tat nicht weh. Die Geräusche nahmen ab, er hörte die Türe zufallen, Kommandos wurden gerufen. All das hörte er nur gedämpft, alles war, als trüge er einen perfekten Gehörschutz. Das Fahrzeug fuhr los, er knallte in der scharfen Rechtskurve gegen die linke Seite.
Von dem Mann, auf den er geschossen hatte, bekam er nichts mit. Er sah nicht, dass er ebenfalls auf dem nackten Blech neben ihm lag. Ohnmä chtig. Hells Kugel hatte sein Herz knapp verfehlt, doch blutete er stark.
Dann war alles schwarz.
*
„ Nein danke, nicht nötig“, sagte Wendt in sein Telefon. Rosin lauschte. Er sprach mit Gauernack. Wendts Ton war freundlich, aber bestimmt. Klauk telefonierte gleichzeitig, hörte aber mit einem Ohr zu.
„ Nein wirklich, die Kollegen brauchen sich nicht zu bemühen“, erwiderte er auf das, was Gauernack ihm vorschlug. Er wollte das Gespräch beenden. Seine Mimik verriet das. Er zog die Brauen hoch, wiegte den Kopf hin und her.
Als er schließ lich das Telefon beiseite legte, sagte er: „Was haben wir? Was brauchen wir? Die Bereitschaft meldet sich sofort, wenn sie einen neuen Hinweis auf den Kombi haben.“
„ Die KTU hat den Lieferwagen untersucht. Fingerabdrücke Fehlanzeige, dafür eine riesige Blutlache im Laderaum.“ Beide schauten ihn an.
„ Keine Angst, es ist nicht Hells Blut. Das haben sie bereits ausgeschlossen.“
Rosin sah ihn giftig an. „ Sag das doch gleich“, maulte sie.
„ Ich hab‘s doch gesagt.“
Rosin versuchte, ihre Angst mit einer gehö rigen Portion Aggressivität zu überdecken. Als sie ankam, hatte er sofort gesehen, dass sie nicht geschminkt war. Die Augen waren noch rot von den Tränen. Warum auch, er fand es irgendwie rührend, dass sie nicht versuchte, sich zu verstecken. Daher reagierte er jetzt auch nicht auf ihr Gebrummel.
„ Wir sind so bescheuert. Wie lassen Hell alleine. Er schickt uns nach Hause. Wir folgen ihm wie die Schafe. Wir hätten alle mitkommen sollen“, sagte Rosin.
„ Hell ist in solchen Dingen ein Sturkopf. Er hätte das nicht zugelassen“, antwortete Wendt nach einer langen Pause.
„ Was wollte Gauernack?“, fragte Klauk.
„ Uns Lessenich zur Unterstützung schicken. Ausgerechnet Lessenich, den Trottel.“
„ Und Du hast abgelehnt?“, fragte Klauk.
„ Ja, den brauchen wir nicht.“
„ Stimmt“, pflichtete ihm Klauk bei, „Wir haben Unterstützung von der KTU und von der Bereitschaft. Mehr Köche würden nur den Brei vermiesen.“
Klauk lehnte lä ssig am Türrahmen. Hätte man es nicht auch in seiner Stimme gehört, wie sehr auch er angespannt war, man hätte denken können, das alles ließe ihn kalt.
„ Was sagt die KTU sonst noch?“
„ Der Lieferwagen ist schon seit Monaten als gestohlen gemeldet. Das Kennzeichen, was nur vorne angebracht war, war eine Doublette.“
„ Wo bunkern die so lange die Fahrzeuge? Erst der Lieferwagen, mit dem die Leichen der Frauen transportiert wurden, jetzt dieses Fahrzeug. Die brauchen eine Halle“, sagte er und machte eine Pause, „Nein. Die haben eine riesige Halle. Ich wette, da passiert alles. Das Nähen. Dort haben sie auch die Autos untergestellt.“
„ Wahrscheinlich“, sagte Rosin.
„ Aber die können überall sein. Hier, in der Eifel, in Richtung Köln. Ich weiß nicht, wo ich noch nach leerstehenden Hallen mit Stromverbrauch suchen soll.“
„ Hinter allem steckt Agayer. Und der bekommt seine Weisungen aus dem Ausland. Aus Baku. Wenn wir nur mehr über die Hintermänner wüssten“, sagte Rosin.
„ Apropos Hintermänner. Wo hat dieser Mamedov eigentlich seine Halle?“, fragte Wendt und kaute auf seinem Kuli.
„ Der hat keine Halle“, antwortete
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