Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
über den Teer.
„ Sie haben großes Glück gehabt. Hätte man Sie nicht von dem brennenden Auto weggezogen, dann hätten Sie mehr als eine Beule abbekommen, Herr Polizist.“
Wendt schaute ihn verblüfft an. „Wer hat mich denn dort weggezogen?“
„ Eine junge Frau. Sie rief auch bei der Einsatzleitstelle an. Dort drüben steht sie“, sagte er und zeigte auf eine Frau, die im Schatten der Unterführung stand. Wendt konnte sie nicht genau erkennen. Das Blaulicht flackerte rhythmisch über ihr blondes Haar, färbte es unnatürlich. Der Feuerwehrmann machte ihr ein Zeichen und sie setzte sich in Bewegung.
Jung, schlank, blonde Locken, ein hübsches Gesicht. Sie lächelte ihn verlegen an. „Ihnen muss ich dankbar sein? Dann sage ich mal lieb: „Vielen Dank“. Wie heißen sie? Ich möchte den Namen meiner Retterin kennenlernen“, sagte Wendt charmant und hielt ihr die Hand hin.
Ihre Stimme klang überraschend rau. Sexy. „Mein Name ist Christina Gericke, aber Sie brauchen sich nicht bei mir zu bedanken. Das ist doch selbstverständlich.“
Sie beobachtete, wie bei Wendt die Kinnlade herunterklappte.
*
Für die Gerichtsmediziner bedeutete eine Leichenöffnung morgendlichen Alltag. Die Obduktion diente dazu, die Todesursache möglichst schnell und sicher herauszufinden. So wie es die rechtlichen Vorgaben verlangten, waren an diesem Morgen zwei Ärzte und ein Sektionsgehilfe anwesend.
Dr. Plasshöhler hatte bereits vor der eigentlichen Dienstbesprechung mit der Arbeit begonnen. Nein, eigentlich hatte er noch gar nicht aufgehört, seitdem er am Abend zum Unfall von Staatsanwalt Gauernack gerufen worden war.
Alle Todesursachen waren unterschiedlich schnell feststellbar. Sehr schnell ließen sich zum Beispiel eine CO-Vergiftung oder ein Tod unter Alkoholeinfluss nachweisen.
Ebenso war die Todesursache von Jan Schnackenberg unzweifelhaft. In der Stirn des Bankers klaffte ein mächtiges Loch. Man erkannte deutlich eine klaffende sternförmige Eintrittswunde mit Schmauchspuren an den Wundrändern, die auf einen aufgesetzten Nahschuss hindeuteten.
Durch die Druckwirkung des Projektils am Austritt aus dem Lauf zerplatzte die Haut des Mannes förmlich und riss sternförmig ein.
Schnackenberg war hingerichtet worden. Es war nicht seine Aufgabe zu ermitteln, doch seine Erfahrung sagte ihm, dass es sich hier um eine persönlich motivierte Tat handelte.
Eine Waffe abzufeuern, ohne dabei Spuren zu hinterlassen, war beinahe unmöglich. Projektil und Hülse, sofern der Täter sie nicht aufgesammelt hat, lassen Rückschlüsse auf die Waffe zu. Wer geschossen hat oder zumindest in der Nähe gewesen ist, beweisen die Schmauchspuren. Dabei handelt es sich um die Verbrennungsrückstände der Treibladung und des Anzündsatzes der Patronen.
Mit dem Diktiergerät in der Hand, auf das er seine Obduktionsergebnisse sprach, wischte sich Dr. Plasshöhler den Schweiß von der Stirn. Er biss sich auf die Lippe. Draußen lachte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, doch im Sektionssaal der Gerichtsmedizin in der Stiftsstraße herrsche eine angenehme Kühle. Das Thermometer zeigte die übliche Temperatur an.
Er fuhr zusammen, als die Türe hinter seinen beiden Kollegen zufiel. Sie würden einen Kaffee trinken gehen. Dabei war er es, der diese Nacht kein Auge zugetan hatte. Doch gutmütig wie er war, hatte er ihrem Wunsch entsprochen.
Er blickte in den geöffneten Brustkorb des Toten, schaltete das Diktiergerät ein. „Abschluss Obduktion Jan Schnackenberg. Todesursache aufgesetzter Schuss, Stanzmarke durch aufgerissene Wundränder stark zerfasert. Das Projektil durchschlug den os frontale, die Austrittswunde befindet sich in einem leicht geneigten Winkel am os occipitale. Das Projektil befindet sich in der KTU. “
Seine Stimme war an diesem Morgen nicht so präzis und scharf intoniert wie sonst. Mit einem Klick schaltete der Mediziner das Gerät wieder aus.
Er nahm die grüne OP-Mütze vom Kopf. Dr. Plasshöhler war sonst nicht so leicht zu beeindrucken. Es war auch nicht der Tote, dessen Obduktion er soeben beendet hatte. Vielmehr war es die Tatsache, dass in einer der Kühlkammern die Leiche von Staatsanwalt Gauernack lagerte.
Noch vor ein paar Tagen hatte er sich mit Dr. Beisiegel unterhalten und dabei die Furcht geäußert, einmal jemanden auf dem Tisch liegen zu haben, den man kannte. Die Ärztin teilte seine Furcht. Stephanie Beisiegel hatte allerdings Glück. Sie war auf dem Seminar. So hatte er die Aufgabe, als
Weitere Kostenlose Bücher