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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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vergessen! Niemals, Bill.«
    »Ja, ja«, fiel Sikes bitter ein. »Sie gehen Ihren Geschäften nach, während ich hier im Fieber liege. Ich hab’ für Sie alles mögliche tun müssen, als ich frisch und gesund war. Und billig genug; und arm bin ich dabei geblieben und hätt sterben und verrecken müssen, wär die Nancy nicht gewesen.«
    »Scho recht«, sagte der Jude. »Sehr gut. Die Nancy ist e Prachtmädel! Aber wer hat sie so gut erzogen, wenn nicht der arme alte Fagin? Hätten Sie sie gehabt ohne mich?«
    »Schon gut«, rief Nancy und kam hastig herbei. »Laß ihn zufrieden.«
    Ihr Erscheinen gab dem Gespräch eine andre Wendung, und die beiden Jungen schenkten ihr auf einen Wink des schlauen alten Juden ein Glas Branntwein ein.
    »Alles ganz recht«, sagte Sikes, nachdem er wiederholt der Branntweinflasche zugesprochen, »aber heut abend muß ich noch Geld von Ihnen haben.«
    »Nicht e Penny hab’ ich bei mir«, wandte der Jude ein.
    »Desto mehr zu Hause, und ich muß etwas haben.«
    »Was sagt man«, rief Fagin, die Hände verzweifelt gen Himmel erhebend. »Nicht so viel hab’ ich, um auch bloß –«
    »Egal, heraus mit dem Geld!« schrie Sikes.
    »Schon gut, schon gut«, besänftigte ihn Fagin. »Ich werd’ den Baldowerer schicken.«
    »Das werden Sie bleiben lassen«, fuhr Sikes auf. »Der kommt dann nicht wieder. Nein, Nancy wird mitgehen und es holen, und ich leg mich unterdessen hin und schlaf.«
    Nach langem Feilschen kamen sie endlich überein, daß Sikes drei Pfund und vier Schillinge bekommen sollte, dann ging der Jude hinaus, und Sikes legte sich unverzüglich übers Bett.
     
    In der Behausung des Juden saßen Toby Crackit und Mr. Chitling beim fünfzehnten Spiel Cribbage.
    »Niemand hier gewesen, Toby?« fragte der Jude.
    »Nicht eine Seele«, antwortete Mr. Crackit und zerrte an seinem Hemdkragen. »Wieviel krieg ich, daß ich das Haus so lang behütet habe? Gott verdamm mich, ich bin so blöd wie ein Geschworener, und es hätt nicht viel gefehlt, wär ich eingeschlafen. Verflucht langweilig hier.«
    Dabei steckte er seinen Kartengewinn mit einer Miene der Geringschätzung in die Westentasche und entferntesich mit weltmännischer Miene. Tom Chitling schickte ihm einen bewundernden Blick nach und erklärte, einen so eleganten Menschen hätte er wirklich noch nie gesehen.
    »Freilich, freilich«, gab der Jude höflich zu.
    »Man kann sich was drauf einbilden, nicht wahr, Fagin?« fragte Tom.
    »Nu, gewiß, mei Lieber, selbstverständlich«, sagte Fagin. »Die andern sind doch bloß eifersüchtig, weil er sich nicht mit ihnen abgibt.«
    »Ja, ja«, rief Tom triumphierend. »Das stimmt. Ausgeplündert hat er mich freilich ratzekahl, aber ich kann mir schon wieder was verdienen, nicht wahr, Fagin?«
    »Natürlich kannst du dir was verdienen, und je eher, Tom, um so besser. Verlier keine Zeit. Baldowerer, Charley, macht euch alle auf die Socken. Es ist bald zehn! Und noch nicht einer von euch hat einen Finger gerührt und einen Penny verdient.«
    Tom Chitling beständig mit Witzen aufziehend, entfernten sich die beiden mit ihm, und als sie fort waren, wendete sich der Jude an Nancy.
    »Ich will dir jetzt holen gehen das Geld«, sagte er. »Hier hab’ ich den Schlüssel zu dem kleinen Schrank, wo ich aufheb die kleinen Sachen, die die Jungens mir nach Hause bringen, mei Schatz. Ich schließ gar nicht erst ab; ich hab’ ja doch sowieso kei Geld drin – hihi; das wär doch überflüssig; das Geschäft geht miserabel. Es lohnt sich nicht. Ich mach’s nur so des Spaßes wegen, damit das junge Volk nicht verhungert. – Halt! Wer ist das?! Was ist das? Horch!« rief er plötzlich ängstlich und verbarg den Schlüssel an seiner Brust.
    Nancy saß mit unterschlagenen Armen am Tisch, offenbar vollständig uninteressiert, ob jemand käme oder ginge, bis das Gemurmel von Männerstimmen an ihr Ohr schlug.Dann nahm sie blitzschnell ihren Hut und Schal ab und warf beides unter den Tisch. Als der Jude sie erstaunt ansah, murmelte sie, es sei ihr sehr heiß, und stellte sich krank. Fagin achtete nicht darauf.
    »Es is nur«, sagte der Jude anscheinend verdrießlich, daß sie gestört wurden, »es is nur der Mann, den ich erwarte. Er kommt jetzt die Treppe hinunter. Red nix von dem Geld in seiner Gegenwart, mei Kind, er bleibt nicht lange hier, – keine zehn Minuten, mei Schatz.« Seinen knochigen Zeigefinger an die Lippen legend, ging er mit einem Licht zur Tür und öffnete sie im selben Augenblick, als der

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