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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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öffnete eine breite Falltüre, die sich dicht vor Mr. Bumbles Füßen auftat. »Blicken Sie da hinunter«, sagte er und leuchtete mit der Laterne in die Tiefe. »Fürchten Sie sich nicht. Ich hätte Sie ja vorhin schon mühelos da hinunterspedieren können, denn Sie saßen gerade darüber.«
    Diese Worte beruhigten die Armenmutter und sogar Mr. Bumble so weit, daß sie sich an den Rand des Abgrundes begaben und neugierig hinunterspähten. Wo das Haus stand, war ehemals eine Mühle gewesen, und die Überreste des Pfahlwerkes staken noch in dem reißenden Gewässer des Flusses.
    »Wenn man hier einen Menschen hinunterwürfe, wo würde man die Leiche morgen finden?« fragte Monks und schwang die Laterne in dem dunklen Loch hin und her.
    »Zwölf Meilen weiter unten, stromab, und überdies in Stücke gerissen«, erwiderte Bumble, bei dem bloßen Gedanken schaudernd.
    Monks nahm den kleinen Beutel, band ein daliegendes Bleigewicht daran und warf ihn ins Wasser hinab. Man hörte ihn aufklatschen. Dann verschloß Monks die Falltüre.
    »So«, sagte er, »wenn das Meer seine Toten jemals zurückgibt, wie es in dummen Büchern steht, so wird das Wasser doch das Gold und Silber und all den Plunder da für sich behalten. Wir sind jetzt fertig und können einander Lebewohl sagen.«
    »Sehr richtig, sehr richtig«, bemerkte Mr. Bumble eifrig.
    »Sie werden aber doch reinen Mund halten?« fragte Monks mit drohendem Blick. »Ihrer Frau wegen habe ich keine Sorge.«
    »Sie können sich auf mich verlassen, junger Herr«, antwortete Bumble und näherte sich unter fortwährenden Bücklingen der Wendeltreppe. »Seien Sie unbesorgt, Mr. Monks.«
    »Diese Worte freuen mich Ihretwillen«, höhnte Monks. »Zünden Sie jetzt Ihre Laterne an und schauen Sie, daß Sie so rasch wie möglich hinauskommen.«
    Zum Glück nahm die Unterredung mit diesen Worten ein Ende, sonst wäre Mr. Bumble rücklings unfehlbar die Wendeltreppe hinabgestürzt. Rasch zündete er seine Laterne an der andern an, die Monks von dem Flaschenzug losgemacht hatte und in der Hand hielt. Dann kletterte er, gefolgt von seiner Gattin, schweigend hinab. Monks bildete den Schluß, nachdem er eine Weile gelauscht hatte, ob kein andrer Ton sich hören ließ als der prasselnde Regen und das rauschende Wasser unten.
    Langsam und vorsichtig durchschritten sie das untere Zimmer, und Monks schrak bei jedem Schatten, den er erblickte, zusammen. Mißtrauisch, ob nicht noch andre Falltüren vorhanden seien, tastete sich Bumble vorwärts. Monks öffnete leise das Tor. Ein stummer Gruß – dann schritt das Ehepaar in die Finsternis hinaus.
    Sie waren kaum fort, da rief Monks, der einen unbezwinglichen Widerwillen vor dem Orte zu haben schien, einen Jungen, der irgendwo versteckt gewesen sein mußte. Er befahl ihm, mit der Laterne vorauszugehen, und kehrte wieder in das obere Gemach zurück.

NEUNUNDDREISSIGSTES KAPITEL
    Einige alte Bekannte treten auf, und Fagin und Monks stecken die Köpfe zusammen
     
    In der Nacht, die jenem Abend folgte, wachte Mr. William Sikes aus tiefem Schlummer auf und fragte schlaftrunken, wie spät es sei. Das Zimmer, in dem er sich befand, war keines von denen, die er vor dem Chertseyschen Einbruch bewohnt hatte, wenn auch das Haus nicht weit davon entfernt lag. Es war ein schmutziges, schlecht möbliertes Loch, und alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß Mr. Sikes sich in materieller Not befand, worauf auch sein bleiches, abgezehrtes Äußeres hinwies.
    Der Einbrecher lag auf seinem Bett in einen hellfarbigen Mantel gehüllt und mit einem Gesicht, das durch seine Totenblässe und durch seine Unrasiertheit gegen früher nicht gewonnen hatte. Sein Hund saß neben dem Bett und blickte ihn bald ernst an, bald spitzte er die Ohren und stieß ein dumpfes Knurren aus, wenn einmal ein Geräusch von der Straße herüber in das Haus drang.
    Am Fenster saß eine Frauensperson mit der Ausbesserung alter Kleidungsstücke beschäftigt, in der man unschwer Nancy erkennen konnte, die ebenfalls sehr blaß und ausgehungert aussah. Sie beantwortete die Frage, die Sikes an sie stellte.
    »Noch nicht sieben vorüber«, sagte sie. »Wie fühlst du dich heute abend, Bill?«
    »Dünn wie Wasser«, brummte Sikes und stieß einen seiner gewohnten Flüche aus. »Komm her, hilf mir von diesem verdammten Hundelager aufstehen.«
    Sikes’ Laune hatte durch seine Krankheit nicht gewonnen, denn während Nancy ihn stützte und zu einem Sessel führte, schlug er nach ihr und stieß eine

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