Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Flut von Flüchen aus.
    »Was flennst du da«, brummte er, »laß das Gewinsel. Scher dich zum Teufel, wenn du nichts Besseres weißt, verstanden?«
    »Ja doch, Bill«, antwortete das Mädchen und zwang sich zu einem Lächeln. »Sei nicht so hart zu mir.«
    »Warum nicht«, schrie Mr. Sikes.
    »So viele, viele Nächte«, sagte sie, und in ihrer Stimme klang etwas wie weibliche Zärtlichkeit, »so viele, viele Nächte habe ich geduldig bei dir gesessen und dich gepflegt, als ob du ein Kind wärest. Du würdest nicht so hart zu mir sein, wenn du daran gedacht hättest, Bill. Sag nur ein Wort.«
    »Nun ja, meinetwegen«, knurrte Sikes. »Aber Himmel und Hölle, warum flennst du denn wieder?«
    »Es ist nichts«, seufzte Nancy und warf sich in einen Stuhl. »Achte nicht darauf, es ist gleich vorüber.«
    »Was ist vorüber?« fragte Mr. Sikes grimmig. »Was hast du wieder für Dummheiten im Kopf? Steh auf und geh an deine Arbeit, verschone mich mit solchem dummen Weiberzeugs.«
    Zu jeder andren Zeit würde diese Aufforderung und der Ton, in der sie gesprochen wurde, die beabsichtigte Wirkung gehabt haben, aber Nancy war zu erschöpft; sie ließ den Kopf auf die Brust sinken und wurde ohnmächtig, noch ehe Sikes zu einem Fluch ansetzen konnte. Er wußte nicht recht, was er in diesem Falle tun sollte, und rief nach Hilfe, da sein Geschimpfe seine Wirkung versagte.
    »Was gibt’s, mei Lieber?« fragte der Jude und blickte zur Türe hinein.
    »Vielleicht kannst du dem Frauenzimmer helfen«, rief ihm Sikes ungeduldig zu. »Steh nicht herum und schwätz nicht. Schau mich nicht so dumm an.«
    Mit einem Ausruf der Verwunderung eilte Fagin demMädchen zu Hilfe, während Mr. John Dawkins – vulgo der Baldowerer –, der dem ehrwürdigen alten Herrn in das Zimmer gefolgt war, hastig ein Bündel in die Ecke warf und Master Charley Bates, der dicht hinter ihm drein kam, eine Flasche aus der Hand riß, sie mit den Zähnen entkorkte und der Ohnmächtigen einige Tropfen in den Mund goß, nachdem er vorerst vom Inhalt einen Schluck gekostet hatte.
    »Pump ihr mit ’nem Blasebalg ’n bissel frische Luft ein, Charley«, rief er; »und reiben Sie ihr die Hände, Fagin, Bill kann ihr die Kleider aufbinden.«
    Nach kurzer Zeit kam Nancy wieder zu sich, wankte zu einem Stuhl am Bett, verbarg ihr Gesicht in den Kissen und überließ es Mr. Sikes, den Neuangekommenen seine Meinung über ihr unerwartetes Erscheinen auszudrücken.
    »Welcher Teufelswind hat Euch denn hergeblasen?« fragte Sikes Fagin.
    »Gar ka Teufelswind«, antwortete der Jude. »Ich hab dir eppes Schenes mitgebracht. Baldowerer! schnür emol das Bündel auf und zeig dem Bill, wofor wir ausgegeben haben all unser Geld.«
    Der Baldowerer öffnete das Bündel, und Charley Bates leerte es unter überschwenglichen Lobpreisungen aus.
    »Da schau mal her, Bill«, sagte er. »Eine Kaninchenpastete, so fein und zart, daß einem die Knochen auf der Zunge zerschmelzen. Und hier einen feinen Tee – und Zucker – und Brot – und frische Butter – und feinen Käse – na also, was sagst du dazu?«
    Damit stellte er eine versiegelte Weinflasche auf den Tisch.
    »Das wird Ihnen gut bekommen, Billeben«, sagte der Jude und rieb sich vergnügt die Hände.
    »Ja, ja, weiß schon«, knurrte Sikes. »Zwanzigmal hätt ich krepieren können, und du hättest nicht einen Finger fürmich gerührt. Also, was sollen diese Firlefanze, du Schuft? Und warum hast du mich drei Wochen lang im Stich gelassen?«
    »Da hör nur einer«, rief der Jude achselzuckend. »Wir kommen und bringen ihm die feinsten Sachen!«
    »Die Sachen sind an und für sich ganz gut«, bemerkte Sikes ein wenig besänftigt; »aber ich frag’ dich, was soll das heißen, daß du mich hier krank und ohne Geld und vom Nötigsten entblößt hast liegenlassen? Ohne dich um mich auch nur so viel zu kümmern wie um einen Hund?«
    »Ich bin doch gar nicht in London gewesen, mei Lieber, länger als eine Woche.«
    »Und die andern vierzehn Tage?« fragte Sikes.
    »Hab’s nicht ändern können«, entschuldigte sich Fagin. »Es sind mer zu viel Ohren hier, als daß ich dir Gründe nennen könnte. Mei Ehrenwort.«
    Sikes warf ihm einen Blick voll Verachtung zu und rief: »Jungens, schneidet mir jetzt von der Pastete ab, daß ich den Geschmack von seinem Ehrenwort, das er gerade erwähnt hat, los werd’, sonst sterb ich vor Ekel.«
    »Sein Se doch nich so bös, mei Lieber«, schmeichelte der Jude unterwürfig. »Ich hab’ Ihnen niemals

Weitere Kostenlose Bücher