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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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entsetzt war.«
    »Warum sind Sie nicht früher hergekommen?« fragte der Kommissär nach einer Pause.
    »Ich hatte niemand, der inzwischen auf meinen Laden aufgepaßt hätte«, entschuldigte sich der Buchhändler. »Alle Leute sind doch wie besessen diesem Jungen hier nachgelaufen, um ihn einzufangen. Erst vor fünf Minuten konnt ich jemand auftreiben, und den ganzen Weg bis hierher bin ich in einem fort gelaufen.«
    »Dieser Herr hier las in einem Buch, nicht wahr?« fragte Mr. Fang nach einer zweiten Pause.
    »Ja«, erwiderte der Buchhändler, »in demselben, das er jetzt hier in der Hand hat.«
    »Was? In dem Buch?« fragte der Kommissär. »Ist das Buch schon bezahlt?«
    »Nein, noch nicht«, antwortete der Buchhändler lächelnd.
    »O Gott, das hab ich ja ganz und gar vergessen«, rief der alte Herr harmlos.
    »Ein netter Mensch, der einen armen Jungen des Diebstahls anklagt«, sagte Mr. Fang und bemühte sich, höhnischein menschenfreundliches Gesicht aufzusetzen. »Ich neige der Ansicht zu, Sir, Sie haben unter höchst verdächtigen Umständen sich dieses Buch angeeignet. Seien Sie froh, daß der Eigentümer desselben nicht gegen Sie Anklage erhebt. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren, mein Lieber, sonst kann’s Ihnen das nächstemal schlimm gehen. Der Junge ist freigesprochen. Gerichtsdiener, räumen Sie die Kanzlei.«
    »Ja zum Teufel noch mal«, rief der alte Herr, dessen lang unterdrückter Zorn jetzt hervorbrach. »Donner und Doria, ich will Ihnen –«
    »Räumen Sie die Kanzlei«, rief der Kommissär. »Gerichtsdiener, die Kanzlei geräumt.«
    Ehe noch Mr. Brownlow etwas sagen konnte, wurde er, das Buch in der einen, das Bambusstöckchen in der andern Hand und ganz außer sich vor Empörung, hinausgeschoben. Draußen im Hof jedoch verflog sein Zorn im Nu: der kleine Oliver Twist lag mit dem Rücken auf dem Pflaster, man hatte ihm das Hemd aufgeknöpft und beide Schläfen mit Wasser begossen. Sein Gesicht war totenblaß, und ein kalter Schauder schüttelte seinen ganzen Körper.
    »Armer Junge, armer Junge«, rief Mr. Brownlow und neigte sich über ihn. »Bitte holen Sie doch eine Droschke, bitte, bitte gleich.«
    Im Augenblick fuhr ein Wagen vor, und nachdem man Oliver sorgsam auf den Rücksitz gelegt, stieg der alte Herr ein und setzte sich ihm gegenüber.
    »Darf ich Sie begleiten?« fragte der Buchhändler mit einem Blick in den Wagen.
    »Selbstverständlich, lieber Herr«, sagte Mr. Brownlow. »Ich habe Sie ganz vergessen. O Gott, o Gott, immer noch habe ich das unglückselige Buch in der Hand. So steigen Sie doch ein! Der arme Junge, der arme Junge, wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Der Buchhändler stieg in den Wagen, und die Droschke fuhr davon.

ZWÖLFTES KAPITEL
    Oliver findet eine bessere Pflege als je zuvor, und unsere Geschichte kehrt wieder zu dem menschenfreundlichen Mr. Fagin und seinen jungen Schützlingen zurück
     
    Der Wagen rasselte davon, fast auf demselben Weg, den Oliver durchwandert hatte, als er in der Gesellschaft des Baldowerers zum erstenmal London betreten, erreichte dann den »Engel« in Islington und hielt schließlich vor einem hübschen saubern Haus in einer stillen schattigen Straße in der Nähe von Pentonville. Hier brachte Mr. Brownlow seinen jungen Schützling sofort zu Bett und ließ ihm eine Pflege und Behandlung angedeihen, – so liebevoll, wie dieser sie noch nie im Leben gehabt hatte.
    Eine ganze Woche verging, und immer noch lag Oliver fiebernd und phantasierend auf seinem Lager. Schwach, abgemagert und bleich erwachte er endlich aus einem Schlaf, der ein langer quälender Traum gewesen zu sein schien. Matt erhob er sich in seinem Bett und sah sich ängstlich um.
    »Wo bin ich? Wo hat man mich hingebracht?« fragte er. »Das ist doch nicht der Ort, wo ich umgefallen bin.«
    Eilig wurde der Vorhang am Kopfende des Bettes zurückgezogen, und eine mütterlich aussehende alte Dame stand auf und beugte sich über ihn.
    »Still, still, Kind«, flüsterte sie. »Du mußt dich ruhig verhalten, sonst wirst du wieder krank. Du warst schon nahe am Tode, denk bloß. Leg dich nur wieder hin – komm, sei ein liebes Kind.«
    Mit diesen Worten legte die alte Dame Olivers Kopf zurück, strich ihm das Haar aus der Stirn und sah ihm so menschenfreundlich ins Gesicht, daß er seine abgezehrte Hand in die ihre legen und ihren Arm um seinen Hals schlingen mußte.
    »O du lieber Himmel«, rief die alte Dame mit tränenden Augen, »was das für ein dankbares kleines Wesen

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