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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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schuldig bin. Hier hast du eine Fünfpfundnote, du mußt mir also zwanzig Schilling zurückbringen.«
    »Ich bin in zehn Minuten wieder hier«, antwortete Oliver eifrig, steckte die Banknote in seine Tasche, nahm die Bücher unter den Arm, verbeugte sich und ging. Mrs. Bedwin begleitete ihn bis zur Haustür und gab ihm dort noch allerhand Weisungen, welches die nächste Straße sei, wie der Buchhändler heiße und so weiter, bis Oliver sagte, er habe alles deutlich begriffen. Schließlich schärfte sie ihm noch ein, er solle sich ja nicht erkälten, und entließ ihn endlich.
    »So ein liebes gutes Gesicht hat er«, sagte die alte Dame, »Ich kann’s gar nicht übers Herz bringen, ihn aus den Augen zu lassen.«
    In dieser Sekunde blickte sich Oliver fröhlich um und nickte ihr zu, ehe er um die Ecke bog.
    Die alte Dame erwiderte lächelnd seinen Gruß, schloß die Türe und ging in das Haus zurück.
    »Wollen doch mal sehen. In zwanzig Minuten spätestens kann er wieder hier sein«, sagte Mr. Brownlow, nahm seineUhr aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. »Bis dahin wird’s schon dunkel sein.«
    »Sie glauben also wirklich, daß er wiederkommt?« fragte Mr. Grimwig höhnisch.
    »Sie etwa nicht?«
    Der Widerspruchsgeist regte sich in diesem Augenblick so heftig in Mr. Grimwigs Brust, daß er seinen Zorn kaum verbeißen konnte.
    »Nein«, sagte er und schlug mit der Faust auf den Tisch, »ich glaub das nicht. Der Junge hat einen neuen Anzug, ein Paket wertvoller Bücher unter dem Arm und eine Fünfpfundnote im Rock. Er wird sich sofort zu seinen alten Freunden, den Taschendieben, gesellen und Ihnen eine Nase drehen. Wenn er jetzt noch nach Hause kommt, dann will ich meinen eignen Kopf –«
    Dabei zog er seinen Stuhl näher an den Tisch. So saßen die beiden alten Herrn dort in stummer Erwartung, ob Oliver zurückkommen werde oder nicht.
    Es wurde dunkel und immer dunkler, und die Zahlen auf dem Zifferblatt waren kaum mehr zu unterscheiden. Immer noch saßen die beiden alten Herrn schweigend da, die Uhr vor sich auf dem Tisch.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    Zeigt, wie überaus lieb der alte Jude und Miß Nancy Oliver Twist hatten
     
    In dem finstern Gastzimmer einer schmutzigen, im verkommensten Teile von Little Saffron Hill gelegenen, unheimlich düstern Höhle, wo zur Winterszeit den ganzen Tag über eine Gasflamme flackerte und zur Sommerszeit auch nicht ein Sonnenstrahl hineinschien, saß brütend über einemkleinen zinnernen Branntweinkrug und einem kleinen Glas, von Fusel duftend, ein Mann in einem Manchesterrock, grauen Kniehosen, Schnürstiefeln und Strümpfen, den selbst bei dieser Finsternis ein erfahrener Kriminalist sofort als Mr. William Sikes erkannt haben würde. Zu seinen Füßen lag ein Hund mit weißen zottigen Haaren und roten Augen und blinzelte zu ihm empor, von Zeit zu Zeit sich eine Schnittwunde an seiner Oberlippe beleckend, die ihm allem Anscheine nach erst vor kurzem zugefügt worden war.
    »Kusch, Mistvieh!« rief Mr. Sikes plötzlich. Ob seine Gedanken so tiefsinniger Art waren, daß ihn schon das Blinzeln des Hundes gestört hatte, oder ob es nur seine Gewohnheit war, von Zeit zu Zeit dem Hunde, auch wenn er nichts getan hatte, einen Fußtritt zu versetzen, läßt sich nicht sagen. Im allgemeinen haben Hunde nicht die Gewohnheit, ihren Herrn deren Handlungen nachzutragen, aber der Hund Mr. Sikes’ schien anders geartet zu sein, denn, wenn er auch nicht bellte, so biß er ihn doch in einen seiner Schnürstiefel. Dann zog er sich knurrend unter die Bank zurück, mit knapper Not dem Zinnkrug ausweichend, den ihm Mr. Sikes nachwarf.
    »Hast wohl Lust, was?« rief Mr. Sikes, ergriff eine Feuerzange mit der Rechten und klappte mit der andern ein großes Messer, das er aus der Tasche nahm, auf. »So ’ne verdammte Bestie! Verstanden!«
    Zweifellos hörte der Hund Mr. Sikes’ Befehl, schien aber nicht die geringste Lust zu haben, sich die Kehle durchschneiden zu lassen. Er blieb also, wo er war, und knurrte nur noch wütender als zuvor, sprang dann zu und packte den Schürhaken mit den Zähnen und biß wie ein wildes Tier hinein.
    Das steigerte die Wut Mr. Sikes’ noch heftiger. Er knietenieder und schlich bösartig auf das Tier zu. Der Hund sprang dabei nach rechts und links, immer schnappend, knurrend und kläffend. Mr. Sikes schwur und fluchte und stach drauflos, so daß der Kampf bereits auf einem höchst kritischen Punkt angelangt war, als die Türe plötzlich aufging und der Hund

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