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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wiederholte Sikes, »jawohl, ich will dir helfen, Galgenstrick, was hast du hier für Bücher? Hast sie wohl stibitzt? Was? Her damit!« Mit diesen Worten riß er ihm die Bücher unter dem Arm weg und versetzte ihm einen Schlag auf den Kopf.
    »Bravo«, rief ein Zuschauer aus einem Fenster herunter, »das ist die einzige Art und Weise, dem Bengel zu seinen fünf Sinnen zu verhelfen.«
    »Gut so«, lobten die beiden Weiber.
    »Ich werd’ ihm schon helfen«, antwortete der Strolch, versetzte Oliver einen zweiten Hieb über den Kopf und packte ihn am Kragen. »Marsch, vorwärts mit dir. Herein, Hundsvieh. Gib acht auf ihn!«
    Ganz schwach von der eben erst überstandenen Krankheit und ganz verdutzt durch die Plötzlichkeit des Angriffs und überdies erschreckt durch das grimmige Knurren des Köters und die Brutalität des Strolches, ergab sich Oliver in sein Schicksal. Im nächsten Augenblick sah er sich in ein Labyrinth von engen und finstern Torwegen und Höfen geschleift und im Marschtempo vorwärtsgetrieben. Wohlrief er noch hie und da um Hilfe, aber es war niemand da, der darauf geachtet hätte.
    Die Gaslampen flammten auf in den Straßen, und Mrs. Bedwin wartete voll Angst und Unruhe in der offenen Haustür. Schon zwanzigmal war das Dienstmädchen die Straße hinaufgelaufen, um zu sehen, ob denn Oliver noch immer nicht komme. Beharrlich saßen die beiden alten Herren in der dunkeln Stube, die Uhr zwischen sich auf dem Tisch, und warteten und warteten.

SECHZEHNTES KAPITEL
    Was aus Oliver wurde, nachdem ihn Nancy mit Beschlag belegt hatte
     
    Die engen Straßen und Gäßchen mündeten endlich in einen großen freien Platz mit provisorischen Stallungen, die verrieten, daß hier gerade Viehmarkt war. Sikes verlangsamte seinen Schritt, da die Dirne sichtlich das Tempo nicht länger mitzumachen imstande war. Barsch wandte er sich an Oliver und befahl ihm, Nancy die Hand zu geben.
    »Verstanden?« schrie er, als Oliver zögerte, und sah sich scheu um.
    Sie befanden sich in einem finstern abgelegenen Stadtteil, und Oliver begriff sofort, daß jeder Widerstand nutzlos war. So gab er Nancy die Hand, die ihn fest am Gelenk packte.
    »Gib mir die andre«, befahl Sikes und packte Olivers freie Hand. »Hierher, Fassan!«
    Der Hund knurrte.
    »Siehst du, so«, sagte Sikes und packte Oliver an der Kehle, »wenn er sich muckst, packst du ihn, verstanden?«
    Der Hund knurrte wieder, leckte sich die Schnauze undknurrte Oliver an, als könnte er es gar nicht erwarten, ihm an die Gurgel zu fahren.
    »Parieren tut er wie ’n Christ; blind will ich auf der Stelle werden, wenn er’s nicht ist«, sagte Sikes und sah den Köter mit wildem Blick an. »Also, jetzt weißt du, was dir winkt, Bursche! Und jetzt vorwärts, marsch!«
    Abermals ließ der Hund ein warnendes Knurren hören und lief dann dicht hinter Oliver drein. Nun ging es quer durch Smithfield. Nach der Unkenntnis, die Oliver hinsichtlich der Gegend hatte, hätte es gerade so gut Grosvenor Square sein können. Der Abend war finster und neblig. Kaum konnte sich ein Licht aus den Schaufenstern durch den dichten Nebel arbeiten, der von Augenblick zu Augenblick immer mehr zunahm und schließlich Häuser und Straßen in ein schwärzliches Dunkel einhüllte.
    Sie waren kaum ein paar Schritte weitergelaufen, als die dumpfen Töne einer der Turmuhren herniederklangen. Beim ersten Schlag blieben die beiden Führer Olivers stehen und horchten.
    »Acht Uhr, Bill«, sagte Nancy, als die Schläge verklungen waren.
    »Glaubst vielleicht, ich hab’ keine Ohren?« murrte Sikes.
    »Ich meine nur, daß sie es wohl hören können.«
    »Selbstverständlich«, versetzte Sikes. »Um Bartholomä war’s, als sie mich ins Loch steckten, und auf dem ganzen Markt hab’ ich jede Pfennigtrompete quietschen hören können. Als ich dann die Nacht hinter Schloß und Riegel kam, war’s mir gegen den Radau da draußen in dem alten Kasten so stumm, daß ich mir am liebsten den Schädel vor Verzweiflung eingerannt hätte.«
    »Die armen Kerle, und lauter so hübsche, junge Leute«, murmelte Nancy.
    »Ja ja, daran denken die Weibsbilder! Hübsche, jungeBurschen! Na, die sind jetzt so gut wie besorgt, und da ist nicht mehr viel zu holen.«
    Die Worte schienen in gewisser Hinsicht ein Lichtblick für ihn zu sein und seine plötzlich aufsteigende Eifersucht ein wenig zu unterdrücken. Er packte Olivers Handgelenk fester und trieb ihn vorwärts.
    »Wart en bißchen«, sagte die Dirne. »Wenn du, Bill, mal hier

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