Olivers Versuchung
Ihr gemeinsamer Kuss. Das flüchtige Gefühl der Sicherheit sowie der Begierde, die darunter verborgen lag.
„Lass sie, Oliver! Kannst du nicht sehen, dass sie unter Schock steht?“, schaltete sich die Ärztin ein und ergriff seine Hand, um sie von Ursulas Arm zu entfernen.
Seltsamerweise fühlte sich diese Stelle auf ihrem Arm jetzt ohne seine Körperwärme kalt an. Um ihn daran zu hindern, noch weiter zu bohren, stellte Ursula eine Frage: „Wer bist du? Warum hast du mich nicht in ein Krankenhaus gebracht?“
Oliver und die Ärztin tauschten einen sonderbaren Blick aus. Ursula bemerkte, wie sein Adamsapfel hüpfte, bevor er sein Gesicht wieder zu ihr zurückdrehte.
„Wie ich schon sagte, ich dachte, es wäre besser, wenn . . . “ Seine Stimme brach ab.
„Ich war näher als das nächste Krankenhaus“, setzte die Ärztin seinen Satz fort. „Und wir durften keine Zeit verlieren.“
Obwohl Ursula glaubte, dass Zeit mit Sicherheit eine wichtige Rolle gespielt hatte, war sie nicht ganz davon überzeugt, dass es schneller gewesen war, sie zu einem Privathaus zu bringen. „Ist dies Ihr Haus?“
Dr. Giles schüttelte den Kopf. „Nein, es ist Olivers.“
„Deins?“
„Genauer gesagt mein, äh . . . Elternhaus.“ Er sah beinahe verlegen aus, als er dies zugab.
„Ich wohne ganz in der Nähe“, fuhr die Ärztin fort. „Oliver hat das Richtige getan, dich hierher zu bringen.“
Ursula sah ihren Arm an und bemerkte den Verband, der um die Verletzung gewickelt worden war, die der Metallstab der Feuerleiter verursacht hatte. Die Ärztin hatte sie wieder gut zusammengeflickt. Darüber gab es keine Zweifel. Sie fühlte sich auch wieder besser, nicht so benebelt, und gleichzeitig stärker. In einem Krankenhaus hätten sie sie vermutlich auch nicht besser verarzten können. Sie fühlte sich gut genug, um sich auf den Weg zu machen.
„Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe.“
Sie schwang die Beine von der Couch und schob das Kissen und die Decke von ihrem Schoß, dann erhob sie sich. Sofort schwankte sie. Oliver sprang aus seiner hockenden Position auf und fing sie in dem Moment auf, als ihre Knie einknickten.
„Ich hab dich schon.“
Seine muskulösen Arme, die sie umschlangen und aufrecht hielten, erinnerten sie an ihre frühere Umarmung. Ein Gefühl von Hitze durchtränkte ihre Wangen, denn der Wunsch, sich gegen ihn zu reiben, um Befriedigung zu finden, überwältigte sie selbst jetzt in ihrem geschwächten Zustand.
„Na, na!”, schimpfte die Ärztin. „Ich sagte, ich habe mich um deine Verletzungen gekümmert, aber das bedeutet nicht, dass du bereits fit bist, schon aufzustehen. Du bist immer noch sehr schwach.“
„Mir geht es gut, ich brauche nur einen Moment.“ Sie versuchte, sich von Oliver zu befreien, aber dieser ließ sie nicht los. Stattdessen hielt er sie noch fester. Ihre Blicke trafen sich.
„Erinnerst du dich nicht daran, was du zu mir gesagt hast?“, flüsterte er. „Nicht einmal, was wir dann getan haben?“
Sie wusste, dass er auf ihren Kuss und das Angebot von Sex anspielte, aber so sehr sie ihm auch die Wahrheit gestehen wollte, konnte sie dies nicht tun, sonst müsste sie auch zugeben, dass sie von jemandem gejagt worden war und die zwei Bisswunden an ihrem Hals erklären. Jeder, der schon einmal einen Dracula Film gesehen hatte, wusste, was dies bedeutete. Deshalb war es besser, alles zu leugnen, damit sie wieder nach Hause zurückkehren konnte. Ihre Eltern sehen. Sich wieder sicher fühlen.
„Ich muss meine Eltern anrufen. Ich muss mit ihnen reden.“
Die Ärztin trat näher und richtete sich an Oliver: „Lass sie sich wieder hinsetzen!“ Dann lächelte sie Ursula an. „Ruhe dich erst mal ein bisschen aus! Du kannst später mit deinen Eltern reden. Erst würde ich dich gerne noch ein paar Sachen fragen.“
Etwas widerwillig half Oliver ihr, sich wieder auf das Sofa zu setzen. Als sie die weichen Kissen hinter ihrem Rücken spürte, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus. Noch eine Sekunde in seinen Armen, und sie hätte angefangen zu keuchen. Sie war sich bewusst, dass die sexuelle Erregung, die der Biss des Vampirs verursacht hatte, noch immer ihren Körper beherrschte. Obwohl es schon eine Stunde – wenn nicht zwei – her sein musste, seit der Blutegel sie gebissen hatte, hatte sie noch immer das Bedürfnis, berührt zu werden.
„Du hast gesagt, du warst nach der Vorlesung zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Wo fand die Vorlesung statt?“, fragte
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