Olivers Versuchung
vorneherein abweist, nur wegen dem, was ich gerade gesagt habe. Ich dachte, dass dir an der Wahrheit gelegen ist.“
Sie hob ihre Augen, um ihn anzusehen und ihm zu sagen, dass sie nichts mehr wollte, als ihren Körper wieder mit seinem zu vereinen, als sie ein rotes Glühen in seinen Augen bemerkte. Es war etwas, das ihr nur allzu vertraut war. Ihr Blick fiel sofort auf seine Hände, die das Lenkrad umklammerten. Klauen drängten sich aus seinen Fingerspitzen hervor.
Sie spürte, wie ihr die Angst die Kehle zuschnürte und sie am Sprechen hinderte. Sie konnte ihn nur anstarren.
„Es tut mir leid, Ursula. Ich bin sehr hungrig. Aber ich werde dich nicht angreifen. Ich verspreche es dir.“ Er schluckte schwer, und als er seinen Mund wieder öffnete, sah sie seine Fangzähne herausragen.
Ein Atemzug entkam ihrer Brust.
„Wir sind fast zu Hause. Ich lasse dich am Bordstein aussteigen. Du musst sofort nach drinnen gehen. Blake wird zuhause sein. Er wird dich beschützen. Versprich mir, dass du gleich zu ihm gehst! Erzähle ihm so viel oder so wenig wie du willst, aber weiche nicht von seiner Seite!“
Olivers Stimme klang jetzt anders: angespannt, als ob er Mühe hatte zu sprechen.
Sie nickte automatisch.
„Ich werde warten, bis du drinnen bist. Bitte lauf nicht weg! Wenn du das tust, wird mein Instinkt mich übermannen, und ich werde dich jagen. Und dann helfe uns Gott.“
„Ich verspreche es“, würgte sie heraus. Sie würde alles tun, nur damit er sie nicht biss.
Die nächsten paar Straßenblöcke beobachtete sie jede seiner Bewegungen genau. Ihre eigenen Handflächen waren verschwitzt, und ihr Herz schlug doppelt so schnell wie normalerweise. Sie wusste, er konnte ihren Herzschlag hören und ihren Schweiß riechen. Sein verkrampfter Kiefer und seine weißen Knöchel deuteten darauf hin.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Oliver endlich vor seinem Haus anhielt.
„Geh!“
Ohne einen Blick zurückzuwerfen, öffnete sie die Tür, sprang aus dem Auto und knallte sie hinter sich zu. Sie zwang sich, so normal wie möglich zur Eingangstür hochzugehen und drückte mehrmals die Türklingel. Als sie ungeduldig wartete, blickte sie über ihre Schulter. Oliver saß noch immer im Wagen, der Motor lief.
Ihr Herz blieb fast stehen, als die Eingangstür von innen aufgerissen wurde.
„Ursula?“
„Lass mich rein! Schließ die Tür!“, verlangte sie und drängte sich an Blake vorbei ins Haus.
Erst als sie hörte, wie die Tür hinter ihr geschlossen und verriegelt wurde, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
„Was ist passiert?“ Blake nahm ihren Arm und drehte sie zu sich um.
„Oliver ist hungrig.“
Wut breitete sich in seinem Gesicht aus. „Fuck! Hat er dir wehgetan?“ Seine Augen suchten ihren Hals ab. „Hat er dich gebissen?“
Hastig schüttelte sie den Kopf. „Nein!“
Aber aus unerklärlichen Gründen fragte sie sich plötzlich, wie es sein würde, seine Fänge in ihrem Hals zu spüren, während sie miteinander schliefen. Ein Gedanke kam und verschwand genauso schnell wieder: Ihre Entführer hatten ihr und den anderen Frauen Sex verweigert, weil sie glaubten, dass dadurch die Wirksamkeit ihres Blutes geschwächt würde. Sie konnte sich nicht sicher sein, dass dies tatsächlich die Wahrheit war, aber sie hatte Oliver davon erzählt. Würde er sich an dieses Detail erinnern? Und wenn er es täte, würde er versuchen, sie zu beißen, weil er glaubte, dass ihr Blut weniger betäubend war, wenn sie Sex hatten? Und würde sie es ihm erlauben?
Wie verkorkst war sie doch, sich so etwas überhaupt vorzustellen? Hatte sie nicht genug durch ihre Entführer gelitten?
Tränen füllten ihre Augen, und mit ihrem nächsten Atemzug entriss sich ein Schluchzen ihrer Brust.
22
Nachdem er in einer Gasse in der Nähe des Rathauses seinen Hunger nach Blut gestillt hatte, stieg Oliver wieder in den Wagen und fuhr zu der Adresse, die er auf dem Führerschein in der Brieftasche gefunden hatte. Die Adresse lag in North Beach. Als er durch die Stadt fuhr, schweiften seine Gedanken zurück zu Ursula und ihrem schockierten Blick, als sie erkannt hatte, dass er dringend Blut brauchte.
Wenn er ehrlich zu sich selbst wäre, würde er sich eingestehen, dass es für sie und ihn keine gemeinsame Zukunft gab. Selbst wenn Ursula ihm erlauben würde, sie zu beißen – was sie eindeutig nicht tun würde – konnte er es niemals riskieren. Ihr Blut war eine Droge, und er war ein ehemaliger Drogenabhängiger.
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