Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
Vom Netzwerk:
nicht neugierig sein, aber es ließ sich nicht vermeiden.
    »Jetzt sind die Ketten verrostet. Also. Weil da nie mehr jemand schaukelt.«
    »Aha.«
    »Sollen wir hingehen?«
    Ich wollte Nein sagen, doch ich nickte. Mein Vater war sowieso blöd. Also.
     
    Die Schaukeln quietschten wirklich, und auf den Sitzen war Moos, doch das wischte Sascha mit dem Ärmel ab. Auch bei meiner Schaukel.
    Ich hatte Hunger, aber Sascha hatte wohl schon gegessen, denn er sprach nicht davon.
    Wir schaukelten. Danach stemmten wir unsere Fersen in den Sand und drehten uns im Kreis. Quietsch, quietsch , machten die Schaukeln. Neben ihnen stand ein riesiger Baum. Es hatte aufgehört zu regnen, doch von den Zweigen fielen immer noch dicke Tropfen herunter.
    »Früher war unsere Schule da.« Sascha zeigte auf ein brachliegendes Gelände neben dem Baum. »In einem Notgebäude. Die Schule ist umgezogen, der Rest ist geblieben. Also.«
    Ich drehte mich so lange im Kreis, bis die Ketten ganz verknotet waren. Mein Vater wusste nicht, wo ich war. Ob er sich Sorgen machte?
    »Also …« Sascha drehte sich auch so weit wie möglich ein.
    »Was ist hier passiert?«
    »Nichts.«
    Immer schneller drehte ich mich in die Gegenrichtung. War das so, wenn man älter wurde? Dass man über immer mehr Dinge nicht redete? Und verschwanden diese Dinge deswegen wirklich?
    »Sag schon.«
    »Ein kleiner Junge wurde hier an den Baum gefesselt. Also.«
    Im Dunkeln sah der Baum bedrohlich aus. Nass und voller Viecher. Sascha saß mit leicht gesenktem Kopf da. Ich konnte es mir lebhaft vorstellen – wie er mit einem dicken Seil gefesselt war, aus dem jeder andere sich mühelos befreit hätte, in das er sich aber immer weiter verstrickte.
    »Bei uns ist so was auch passiert«, ließ ich achtlos fallen, damit er nicht dachte, in Friesland wären alle nur brav. »Mich haben sie mal auf der Wippe festgebunden. Musste die ganze Pause rauf und runter. Und Nettie, meine beste Freundin …«
    »Der Junge ist aber die ganze Nacht über da geblieben.«
    Das verschlug mir einen Moment die Sprache. »Im Sommer? Da ist es nicht so kalt, aber es gibt mehr Viecher.«
    »Die Viecher haben den Jungen nicht gestört.«
    »Wer hat das denn gemacht? Milena?«
    Sascha zuckte die Schultern, aber so, dass es wie ein Ja aussah.
    »Und die Eltern? Die haben den Jungen doch sicher befreit?«
    »Er hat ihn vergessen.«
    »Wer hat ihn vergessen?« Ich musste mich zu Sascha beugen, weil er so leise sprach, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
    »Sein Vater. Also.«
    Quietsch, quietsch , machte Saschas Schaukel. Meine nicht, die hing still.
    Sascha hatte sein ganzes Leben ohne mich hier verbracht. Das war anders als bei Nettie, die ich von Geburt an kannte. Sie war mit derselben Aussicht groß geworden wie ich. Kann man jemanden verstehen, der woanders aufgewachsen ist? Oder tickt der ganz anders?
    Meine Mutter hat einmal gesagt, Freundschaft sei, wenn man zusammen Dinge erlebe. »Am wichtigsten ist es, Dinge zu teilen.«
    »Aber du hast doch fast keine Freunde«, hatte ich ihr widersprochen. Ich weiß noch, dass ich neben ihr auf dem Sofa gesessen habe. Vielleicht hatte sie mir gerade etwas vorgelesen, denn nach dem Vorlesen führten wir oft solche Gespräche.
    »Man braucht auch nicht viele Freunde .« Sie strich mir über den Kopf. Das mag ich, wenn man mir über den Kopf streicht. »Solange es die richtigen sind.«
    Zu Sascha sagte ich: »Wie konnte dein Vater dich … ich meine, den kleinen Jungen nur vergessen?«
    Er zuckte erneut die Schultern. Ich verstand, was er meinte. Manche Dinge geschahen einfach. Die Erwachsenen waren manchmal so mit sich beschäftigt, dass sie ihre Kinder eben vergaßen.
    Ich erzählte Sascha, dass ich an meiner alten Schule mal einen Knallfrosch am Pult der Lehrerin festgemacht hatte. Das stimmte zwar nicht ganz, es war der Klassenrowdy gewesen, aber das gehörte in die Kategorie »Flunkern«, fand ich.
    »Und dann?«, fragte Sascha.
    »Sie schrie und sagte, ich hätte etwas sehr Schlimmes getan. Und ich: ›Sie finden einen Knallfrosch am Tisch also schlimm? Ich wüsste da noch was Schlimmeres!‹«
    Anerkennend kickte Sascha ein Grasbüschel weg. Ich bohrte den Fuß in den Sand. Mir knurrte der Magen. Ob mein Vater sich inzwischen fragte, wo ich steckte? Einen Moment schwiegen wir beide.
    »Meine Mutter ist weg«, sagte Sascha nach einer Weile. »Schon lange.«
    »Aha«, sagte ich so nüchtern wie möglich.
    »Sie haben sich sowieso immer nur gestritten.«
    Ich trat

Weitere Kostenlose Bücher