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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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sinken. Aufwärmübungen, wie früher im Ballettunterricht. Das würde ich auch sagen, falls mich jemand fragte, was ich da machte. »Ach, ein bisschen trainieren.« Ich reckte und streckte mich, wartete. Erst beim Läuten kam Sascha wieder aus der Jungstoilette gestürmt. Einen Moment sahen wir uns an, dann rannten wir zurück ins Klassenzimmer.
    Als sie uns zusammen ankommen sahen, johlten Milena und ihre Freundinnen. Mir wurde heiß. »Ratte und der Furzjunge sind zusammen«, skandierten sie.
    Mitten in der Stunde schrieb ich: Ich verrate es niemandem in mein Heft, riss das Papier aus und schob es Sascha zu. Er legte die Hand darauf, zerknüllte den Zettel und steckte ihn ein.
    Den Rest des Tages redeten wir kein Wort miteinander. Jenny erzählte, dass die Klasse »bis auf wenige Ausnahmen« beim Test gut abgeschnitten habe, und meinte, dass wir unbedingt fleißig weiterlernen sollten.
    »Ganz bestimmt nicht!«, kreischte Milena.
    Nach dem Läuten ging ich langsam, ohne nach rechts oder links zu blicken, vom Schulhof in Richtung Friseursalon. Zu Hause räumte ich auf. Abgesehen von einem Holzstapel war der Garten fast schon leer, aber im Boot herrschte ein einziges Durcheinander. Mein Vater hatte seine Hosen und Hemden in die Schränke in der Kombüse gestopft. Seine Unterhosen lagen in der unbenutzten Spüle und seine Socken in einer Schale auf dem Herd. Mein Bett stand quer vor der hinteren Wand, doch wegen der ganzen Schmutzwäsche auf dem Boden kam ich kaum durch. Also setzte ich mich aufs Bett meines Vaters und wollte die Sachen aufheben, doch ich zögerte. Wohin damit? Alles war voll.
    Nur am Fußende meines Bettes war noch ein bisschen Platz, neben dem Karton meiner Mutter. Ich nahm ihn hoch, weil ich mir ihr rotes Kleid ansehen wollte. Es roch noch so gut nach Mama. Mein Vater hatte das Kleid wie alles andere zurücklassen wollen, aber ich hatte es trotzdem in einen Karton gepackt. Ein ganzer Karton nur für meine Mutter. Wir wollten zwar Abstand nehmen, aber mein Vater konnte nicht einfach allein bestimmen, wie groß der Abstand sein sollte. Ich hatte ein Recht auf Geruch. Meine Nase gehörte mir!
    Ich wollte nur schnell hineinschauen und dann die Schmutzwäsche in einen Kissenbezug tun und sie in den Waschsalon bringen. Aber erst warf ich noch die Stinkesocken meines Vaters, die hinter dem Karton gelegen hatten, auf sein Bett. Dann nahm ich den Karton meiner Mutter und klappte ihn auf.
    Er war leer.
    Vor Schreck blieb ich erst mal halb über, halb im Karton hängen. Dann sprang ich abrupt auf, stieß mir voll den Kopf, fiel rücklings aufs Bett und blieb zwischen den Stinkesocken liegen. Mir war schwindlig, der Kopf tat mir weh und ich hatte große Lust, jemandem die Schuld daran zu geben.
    Sobald ich wieder Luft bekam, ging ich in den Garten. Durch das Fenster sah ich meinen Vater im Salon wichtigtuerisch mit einer dicken Frau reden. Für mich hatte er keine Zeit.
    Es war ziemlich kalt im Garten, trotzdem blieb ich draußen. Es war fünf Uhr oder so, der Himmel war schon den ganzen Tag dunkelgrau mit einigen gelben Flecken gewesen. Das lag am vielen Licht in der Stadt, die Wolken wurden ganz schmutzig gelb davon. Als ich mich setzte, bekam ich sofort einen kalten Hintern. Mein Vater hatte sich also das rote Kleid unter den Nagel gerissen.
    Ohne es mir zu sagen.
    Manche Leute glauben, dass tote Mütter im Himmel wohnen, hinter den Wolken, aber schmutziges Gelb ist nichts für meine Mutter.
    Es fing leise an zu tröpfeln, und ich wollte schon wieder aufs Boot zurücksteigen, als ich auf der anderen Seite des Zauns Fahrradbremsen quietschen hörte. Ich öffnete das große Gartentor – was viel leichter ging, seitdem das ganze Gerümpel weg war – und sah Sascha, der sich von seinem teuren Mountainbike schwang. Ich hatte ihm nicht gesagt, wo ich wohnte, aber vom Friseursalon hatte ich ihm erzählt. Anscheinend kannte er ihn.
    »Hallo«, sagte ich, ohne ihn anzusehen. Schön, dass er endlich vorbeikam, aber warum musste es ausgerechnet jetzt sein?
    »Hallo«, sagte Sascha. Ich ging weder nach draußen, noch trat ich zur Seite, um ihn hereinzulassen. Er fixierte einen Punkt auf meiner Stirn. »Wusstest du, dass es nicht weit von hier einen alten Spielplatz gibt?«
    Das ist alles nur vorläufig, dachte ich. Alles.
    »Da gibt es zwei ganz hohe Schaukeln, die quietschen, wenn man sich draufsetzt. Also. Niemand traut sich hin, weil da mal was richtig Schlimmes passiert ist.«
    »Aha«, sagte ich. Ich wollte

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