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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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ewigen Geheule. Bestimmt wollte ihn gar keine haben.
    Außer mir natürlich.
    Ich hätte mir vor den Kopf schlagen können, dass ich nicht nachgehakt hatte, als Sascha so leise vor sich hin gemurmelt hatte. Wie war die neue Freundin seines Vaters? Und wie schlimm fand er es überhaupt, dass sein Vater eine Freundin hatte? Musste ich ihm irgendwie helfen?
    Bloß gut, dass mein Vater und ich uns nur vorläufig hier befanden. So eine Stadt war eigentlich viel zu kompliziert für uns.
    »Also«, sagte ich halblaut im Dunkeln. »Also, also, also.«
    Einen Moment lauschte ich dem Rauschen des Meeres hinter meinen Augen und fragte mich, ob es wohl vorkam, dass man einem Kind weismachte, seine Mutter sei tot, und dabei war sie nur verreist, in den Weltraum oder so. Einfach weil sie gerade keine Lust mehr hat, Mutter zu sein.
    Ich stellte mir vor, wie meine Mutter zu meinem Vater sagte: »Komm, lass uns so tun, als wäre ich tot.«
    »Ich weiß noch was Besseres«, hätte er geantwortet, »wir tun so, als würdest du sterben, und dann, als ob wir dich verbrennen, und am Ende denken wir uns noch was mit deiner Asche aus.«
    Das Rauschen hinter meinen Augen wurde lauter.
    »Kann man vor Kummer sterben?«, hätte mein Vater danach gefragt. »Dann würde ich nämlich draufgehen, glaube ich.«
    »Hahaha«, hätte meine Mutter gelacht. »Und ich erst. Ich kenne da nämlich so einen reichen Ami mit einem Raumschiff. Hui, mitten durch die Wolken!«
    »Dabei ist schmutziges Gelb doch gar nichts für dich«, hätte mein Vater noch gesagt.
    Ich ließ das Butterbrot fallen und kletterte ins Boot. Dann eben ohne Zähneputzen ins Bett. Ich hatte keine Lust mehr, wach zu sein. Meine Klamotten ließ ich einfach auf den Boden fallen. Den leeren Karton meiner Mutter stellte ich meinem Vater aufs Bett. Bestimmt würde er erschrecken und mir sofort erzählen, wo das Kleid war.
    Nicht mehr denken. Mir nichts mehr vorstellen. Augen zu.
    Sofort sah ich das Lächeln meiner Mutter.
    »Von oben sehen die Wolken anders aus, John«, sagte sie. »Ganz weiß und weich.«
    »Wie Rasierschaum«, antwortete mein Vater. Immer musste er an irgendwelchen Friseurkram denken.
    »Stell disch nisch so an, John.«
    Und schon brach mein Vater wieder in Tränen aus.
    Um die Gedanken in meinem Kopf zu übertönen, stimmte ich ein Lied an. Irgendein dämliches Lied mit wenig Text und nur einem Refrain, der so ging: »Ho, ho, ho and a bottle of rum«. Ich fing gerade mit der zweiten Runde an, als mein Vater in die Kajüte kam.
    Er lachte. »Eine Flasche Rum? Hast du gerade was über eine Flasche Rum gesungen? Hahahaha.«
    Er hatte getrunken. Eindeutig. Ich konnte es riechen.
    »Hör auf zu lachen.«
    Davon musste er noch mehr lachen. »Hohoho«, lachte mein Vater und stellte den leeren Karton auf den Boden, ohne richtig hinzuschauen. So blöd war er, so unglaublich blöd. Ich bekam Lust, ihm wehzutun. Ich drehte den Kopf zur Wand und sagte nichts. Fragte ihn nicht, wo er das Kleid meiner Mutter hingetan hatte, würde ihn auch nicht mehr fragen. Ich würde es allein herausfinden. Ihn würde ich nie mehr etwas fragen.

 
    8
     
    »Sollen wir morgen ins Schwimmbad gehen?«, flüsterte Sascha mir kurz vor dem Läuten zu. Heute war Freitag, und die ganze nächste Woche waren Ferien.
    Ich freute mich über seine Frage, denn ich hatte keine Ahnung, was ich mit der vielen freien Zeit anfangen sollte.
    »Dann hole ich dich ganz früh ab. Also.«
    Jenny rief, wir hätten zwar Ferien, das bedeute aber nicht, dass wir nicht zu lernen brauchten. »Denkt dran, Kinder, es geht um eure Noten.«
    »Wir sind keine Kinder«, rief Milena. Alle Mädchen lachten, außer mir. Ich sah, dass es Milena nicht entgangen war.
    In Friesland waren die Ferien meistens schön. Irgendeinen Vater, der Bauer war und dem man auf dem Feld helfen konnte, gab es immer. Manchmal bekamen wir dafür sogar Geld. Fettie, Olle Bolle und die Jungs – stets zu Diensten.
    Zum Schwimmen gab es einen kleinen See, und zum endlosen Über-die-Wiesen-Streifen gab es mehr Wiesen, als man sich erträumen konnte. Und natürlich Oma und Opa. Die waren immer da. Wenn Opa gute Laune hatte, erzählte er von früher. Mein Opa hieß Frans, und bevor er meine Oma kennenlernte, hatte er überall Freundinnen gehabt. Eine nach der anderen hatte er sie mit dem Fahrrad abgeklappert. »Tour de Frans«, nannte er das. »Natürlich nur, bis ich Oma kennengelernt habe.« Bei diesen Worten lächelte er meine Oma liebevoll an. Das war

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