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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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auf, mit ihrem typischen Lächeln. »Nichts, ich erzeuge einfach nur Geräusche.«
    »Warum?«
    »Damit ich mich höre und weiß, dass es mich gibt.«
    Also tat ich das auch. Geräusche erzeugen.
    »Hmmmm, hmmmm, hmmmm.«
    Es tat weh, so sehr wünschte ich mir, dass mein Vater jetzt hereinkommen und alles wieder gut sein würde.
    Bestimmt war er bei Sonja.
    Bestimmt hatte er den Arm um Sonja gelegt. Oder sie küssten sich gerade.
    Die Vorstellung, dass mein Vater und meine Mutter sich geküsst hatten, mit geöffnetem Mund und mit der Zunge, fand ich an sich schon unappetitlich. Aber dass mein Vater eine andere Frau küsste? Igitt. »Zwischen uns ist weiter nichts«, hatte er behauptet. Aber rein zufällig habe ich Augen im Kopf.
    Ich zog mich aus und schlüpfte in ein T-Shirt meines Vaters. Es ging mir bis zu den Knien.
    Doof, dass er jemanden küssen und ich nicht mal einen doofen Brief vom Polizisten zurückhalten durfte.
    Doof, dass er sich das Kleid meiner Mutter unter den Nagel reißen, ich aber nicht mal daran ziehen durfte.
    Ich nickte kurz ein, schreckte kurz danach aber wieder aus dem Schlaf, weil meine Mutter sich über mich beugte. Natürlich war es nicht meine Mutter, sondern nur der Zipfel meiner Bettdecke.
    Ich stand auf. Mein Vater war immer noch nicht da.
    Kurze Zeit später war ich an Deck. Der Wind wehte.
    Ich kletterte vom Boot und spürte das nasse Gras unter meinen Füßen. Ich ging in die Küche, im Friseursalon brannte Licht. Es roch nach Feuchtigkeit und muffigem Kühlschrank, Stimmen drangen zu mir.
    »… ich werde sie immer lieben, über alles.«
    »Sie beide, oder? So soll das auch sein. Es handelt sich schließlich um deine Familie.« Sonja, Sonjas Stimme.
    Mein Vater schnäuzte sich laut. Eine komische Vorstellung, dass er Sonja gefiel. Vielleicht täuschte ich mich aber auch, und sie wollte ihm wirklich nur helfen.
    »Wenn das für dich einfacher ist, halte ich ein bisschen mehr Abstand.« Wieder Sonja.
    Am liebsten hätte ich in voller Lautstärke gerufen: »Gute Idee! Tu das!«
    Jemand bewegte sich, ein Stuhl knarrte. Saß diese Sonja jetzt etwa bei meinem Vater auf dem Schoß? Drehten sie sich zusammen im Kreis? Auf meinem Zahnarztstuhl?
    »Ich finde es schön, wenn du da bist. Du hast es auch nicht leicht gehabt.« Mein Vater schniefte.
    Klar. Er wollte immer alle um sich haben.
    Ich schäumte vor Wut.
    »Aber John, Olivia hat es doch so schon schwer genug …« Sonja klang nicht so, als würde sie auf seinem Schoß sitzen.
    Mein Vater unterbrach sie. »Manchmal glaube ich … Mit ihrer spitzen Zunge …«
    Sonja lachte. Über mich? »Sie wirkt stark. Aber vielleicht ist sie noch gar nicht so groß, wie du glaubst. Sorgst du richtig gut für sie?«
    »Ich versuche es. Manchmal weiß ich nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Na, wohl beim Anfang.« Wieder lachte sie.
    Mein Vater, meine Mutter und ich. Früher waren wir ein Klötzchenturm gewesen. Drei Klötze übereinander, ich obendrauf. Der Turm war umgefallen – wie solche Türme das eben so tun – und umfallen tut weh. Aber was sie auch anstellte, Sonja konnte nicht zwischen uns kommen. Sie war ein völlig anderes Klötzchen. Oder vielleicht war sie überhaupt kein Klötzchen. Eher was Rundes oder was Dreieckiges.
    »Du hast recht«, sagte mein Vater. »Ich muss besser für sie sorgen.«
    Ich schlich mich durch den dunklen Garten zum Boot zurück.
    Im Bett legte ich mich auf den Rücken und starrte mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit. Bis meine Augen tränten. Aber ich weinte nicht.
    Kurze Zeit später kam mein Vater herein. Er zog sich so leise wie möglich aus. Das Bett knarrte, als er unter die Decke kroch. Er wälzte sich seufzend herum. Es war sehr dunkel. Dunkel und ziemlich ruhig. Der Wind hatte sich gelegt, sogar die Plastikplane über der Überraschung raschelte nicht mehr.
    Ich dachte an Sonja, die jetzt, verlassen von ihrem Mann, in ihrer Wohnung über dem Friseursalon im Bett lag. Und an meine Mutter in der Urne. Mit ihrem völlig durcheinandergemischten Körper. Ich dachte an Sascha, an Jenny, an Oma und Opa. An die vielen Menschen, die in diesem Moment auf dem Rücken oder dem Bauch oder der Seite im Bett lagen und schliefen.
    Früher wäre ich zu meinem Vater ins Bett gekrochen. Und er hätte schläfrig seinen warmen Arm um mich gelegt.

 
    16
     
    »Olli!«
    Am nächsten Tag rief mein Vater mich gleich nach der Schule zu sich. Er hatte gerade keinen Kunden. Mit verschränkten Armen wartete er auf

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