Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
Vom Netzwerk:
dass ich sie anschaute, und hörte auf zu tanzen. Früher hätte sie irgendeine fiese Bemerkung gemacht. Jetzt, wo ich ihr Geheimnis kannte, ließ sie es lieber bleiben. Ob ihre Freundinnen wohl Bescheid wussten?
    Bestimmt nicht.
    Was war das für eine Freundschaft, wenn man seinen Freundinnen nicht erzählen konnte, wen die eigene Mutter heiraten würde?
    »Ist jetzt wieder alles gut?«, fragte Sascha.
    Er hielt mir die Hand hin, und ich schüttelte sie. »Warte.« Ich rupfte ein neues Blatt ab, zerrieb ein bisschen Pflanzenblut auf unseren Handflächen. »Es ist wieder gut.«
    Danach kratzte ich mich so unauffällig wie möglich am Kopf.
     
    Nach der Schule begleitete mich Sascha mit seinem Mountainbike an der Hand zum Boot.
    Ich wollte ihn durchs Gartentor einlassen, doch ehe ich ihn davon abhalten konnte, war er zielstrebig in den Friseursalon marschiert.
    »Sascha«, stellte er sich meinem Vater vor und gab ihm höflich die Hand.
    Mein Vater legte die Schere weg. »John«, sagte er.
    »Das mit Ihrer Frau tut mir wirklich leid«, sagte Sascha.
    »Danke«, antwortete mein Vater, doch Sascha war noch nicht fertig.
    »Mein Vater hat eine Freundin, die Mutter von einem Mädchen aus unserer Klasse. Das ist auch nicht einfach. Aber dass Ihre Frau mit einem Amerikaner in den Weltraum fliegt, finde ich, also, noch viel … äh … schwieriger.«
    »Ja«, sagte mein Vater. »Und ziemlich unwahrscheinlich.«
    Rasch schleifte ich Sascha mit in den Garten.
    »Hier wohnst du. Also«, sagte er. »Was ist das für eine Plastikplane auf dem Boden?«
    »Eine Überraschung von meinem Vater.«
    »Wann wird sie fertig?«
    »Gar nicht, glaube ich.«
    »Warum nicht?«
    Ich zuckte die Schultern. Ich wusste nicht, was ich ihm zuerst erklären sollte. Zwischen meinem Vater und mir stand eine Mauer aus unzähligen Wutbrocken. Und jedes Mal wenn wir einen der Brocken abtrugen, kam wieder ein neuer dazu.
    »Darunter dampft’s.«
    Sascha hatte recht. Das Plastik dampfte.
    Er versuchte, ein Stück von der Plane wegzuziehen, doch sie war gut befestigt.
    »Mensch, was ist das nur?«, quengelte er.
    »Ein dampfendes Ufo. Bist du jetzt zufrieden?«
    Wir lachten beide.
    Danach kletterten wir aufs Boot, und ich zeigte Sascha die Kajüte. »Klein«, war sein einziger Kommentar.
    Ich führte ihm vor, wie schnell ich die Leiter hinauf- und wieder hinuntersteigen konnte. Mittlerweile war ich richtig geschickt darin, was mir besonders auffiel, weil Sascha sich dabei so unbeholfen anstellte. Einmal fielen wir zusammen herunter – von der untersten Sprosse – und purzelten noch kurz über den Boden wie letztes Mal beim Schaukeln.
    Plötzlich stand mein Vater neben uns. Schnell sprangen wir auf.
    Ich packte Sascha am Handgelenk und wollte ihn wegziehen, doch der blieb höflich stehen.
    Mein Vater räusperte sich. »Olivia hat es dir nicht erzählt, weil ihr das schwerfällt, aber meine Frau hatte keinen anderen. Und ich finde es schlimm, dass du das denkst.«
    Sascha sah mich kurz an. Ich starrte auf den Boden.
    »Olivias Mutter ist nämlich tot.« Es schien, als wollte mein Vater noch etwas hinzufügen, aber bei »tot« hörte er auf.
    »Ach«, antwortete Sascha, als hätte er sich das schon gedacht. »Da ist es nicht so einfach, einen anderen zu haben.«
    »Genau.«
    Dann erst gelang es mir, Sascha von meinem Vater wegzulotsen. Auf die Straße, zu den Schaukeln und zum großen Baum.
    Dort blieben wir eine Weile sitzen. Sascha erwartete anscheinend eine Erklärung, aber ich hatte nichts zu sagen. Wenn ich etwas gesagt hätte, wäre ich garantiert ertrunken. Und darauf hatte ich keine Lust. Also fing ich an zu schaukeln, und er schaukelte mit. Immer höher schaukelten wir, und am höchsten Punkt sprangen wir ab. Wir kullerten übereinander, lachten, blieben einen winzigen Moment zu lange liegen.
    Es fühlte sich gut an.
    Mein Vater war nicht da, als ich zurückkam.
    Ich ging in die Küche und schmierte mir ein paar Brote. Kratzte mich am Kopf. Ging mit den Broten zum Boot und aß sie auf. Als es dunkel wurde, schaltete ich das Licht nicht an.
    Das gute Gefühl war verschwunden. Jetzt fühlte es sich an, als würde ich vor einer von Jennys unglaublich schwierigen Matheaufgaben hocken und nicht wissen, wie und wo ich anfangen sollte.
    Mir ging ein Lied durch den Kopf. Ein Lied, das meine Mutter manchmal beim Schreiben gesungen hat.
    Ein bisschen tonlos, ohne Worte: »Hmmmm, hmmmm, hmmmm.«
    »Was singst du da?«, habe ich sie einmal gefragt.
    Sie blickte

Weitere Kostenlose Bücher