Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)
sich dabei erdrosselt – ich war froh, dass er an der Leine war. Wenn Milena jetzt mit ihren Freundinnen an mir vorbeiradelte, war ich verloren. Dann könnte ich mich nie mehr an der Schule blicken lassen. Oder? Nee, ich würde einfach erzählen, dass ich sie mit Sascha ertappt hatte. Dass sie heimlich mit dem Furzjungen zusammen war.
Nein, das ging nicht. Schließlich konnte ich Sascha nicht verraten!
Oder doch? Sascha war sowieso bescheuert. Und wir waren schon fast wieder weg. Denn wenn mein Vater nicht wegwollte, würde ich eben allein gehen.
Ich ging durchs Gartentor rein und direkt zum Boot. Im Vorbeigehen sah ich meinen Vater bei der Arbeit, doch er sah mich nicht.
Am liebsten hätte ich mich ins Bett gelegt und mir die Decke über den Kopf gezogen. Aber das ging nicht, sonst würde ich das Bett noch vollbluten. Ich kratzte mich am Kopf. Der bescheuerte Haarknoten juckte immer mehr.
Schließlich zog ich eine saubere Unterhose an und stopfte das blutige Klopapier in eine Tüte, die ich in meine Tasche steckte. In die Unterhose legte ich diesmal einige Lagen Küchenpapier, dann wollte ich mir das ausgeliehene lila Fahrrad meines Vaters nehmen. Da fiel mir Sonja ein. Ich ließ das Fahrrad stehen und machte mich zu Fuß auf den Weg zum Drogeriemarkt im Stadtzentrum.
Langsam ging ich an den Regalen mit Damenbinden entlang. Die Namen sagten mir gar nichts: GoodNight, String, Normal Plus, Ultra Normal, was bedeutete das alles?
Am liebsten wären mir Binden gewesen mit der Aufschrift »Extra dick« oder »Fürs erste Mal«. Lieber eine Windel tragen als auslaufen. Natürlich keine Baumwollwindel, meine Oma konnte ich also auch nicht anrufen.
Warum hat meine Mutter mir nicht gesagt, welche ich nehmen soll? Einfach nur die Marke und die Bezeichnung. Sie ließ mich ganz schön hängen. In der Drogerie.
»Kann ich dir helfen?« Ich erschreckte mich zu Tode. Eine Verkäuferin!
»Ich suche Damenbinden«, sagte ich leise. Und dann wiederholte ich es ein bisschen lauter, weil sie mich nicht verstanden hatte. Letztens hatte ich eine Werbung gesehen, in der eine Mitarbeiterin in einer Drogerie in voller Lautstärke durch den Laden rief, ob noch Kondome vorrätig seien, und jetzt sah ich die Frau tief Luft holen, um dasselbe mit mir zu machen. Ich flüchtete aus dem Laden.
In der Bibliothek war noch genau ein Platz am Computer frei. Ich tippte »Menstruation« ein. Es gab einen Film vom Schulfernsehen, aber in der Bibliothek konnte man Filme nur ohne Ton ansehen. Und dann gab es noch ein »Mädchen-Forum«. In dem stand, was es eigentlich bedeutete, seine Periode zu bekommen. Ab jetzt konnte ich also schwanger werden.
»Bei Mädchen, die jünger sind als zwölf Jahre, kann die Vagina noch zu eng sein für einen Tampon«, las ich. Und dass Damenbinden preiswerter seien. Ein Tampon. Wie unheimlich. Was, wenn der nicht reinging? Oder stecken blieb? Oder ich ihn nicht mehr wiederfand?
Ich sah mir ein paar Bilder von Binden an. Jemand hatte sich selbst als Binde verkleidet. Sich Blut auf den Bauch geschmiert und in jede Hand einen Riesentampon genommen.
Ein Mann, der offensichtlich an den Computer wollte, stellte sich neben mich. Schnell klickte ich die Seite weg und löschte den Suchverlauf.
Ich kannte eine andere Drogerie hier in der Nähe. Diesmal zog ich so selbstbewusst wie möglich eine Packung Ultra Normal-Binden aus dem Regal. Ich hatte immer noch keine Ahnung, ob es die richtigen waren, aber immerhin kannte ich den Namen aus dem Internet, das gab mir ein bisschen Sicherheit. Hinter der Kasse saß zum Glück ein gleichgültiges junges Mädchen mit langen künstlichen Fingernägeln, auf denen goldene Pailletten prangten. Sie gab mir eine Tüte.
Zu Hause ging ich wieder zum Gartentor hinein und schlich mich durch die Küche zur Toilette. Dort klebte ich die Binde in eine weitere neue Unterhose. Gerade wollte ich mich zum Boot schleichen, als mein Vater, der mich gehört hatte, mit dem Rasiermesser in der Hand in die Küche kam.
»Du bist ja früh zurück.«
Leider fiel mir keine Ausrede ein.
»Alles in Ordnung, Krump?«
Ich nickte.
»Wart mal kurz.« Er ging in den Salon zurück.
Ich wusste, dass mein Vater sein Messer für mich aus der Hand legen würde, wenn ich das wollte. Wenn es wirklich einen Grund gab, würde er für mich eine Pause einlegen. Aber das brauchte er nicht. Er war ein Verräter. Genau wie Sascha.
Mein Bauch krampfte sich zusammen, und ich setzte mich auf den Boden. Einfach so auf
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