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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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mich.
    »Eigentlich hättest du eine Strafe verdient«, sagte er.
    Ich schwieg.
    »Du kannst doch nicht einfach so irgendwelche Märchen über deine Mutter verbreiten?«
    Ich betrachtete den gelben Himmel über uns.
    »Ein Raumschiff«, murmelte mein Vater.
    »Hier war sie eben noch nicht tot«, sagte ich, »weil es noch keiner wusste.« Dann zuckte ich die Schultern. »Okay, ich habe geflunkert.«
    Das war schon mal gesagt. Meine Mutter wäre einverstanden gewesen, aber nur, solange ich es wusste. Jetzt wussten auch mein Vater und Sascha davon. Sie hat nicht gesagt, was passiert, wenn alle vom Flunkern wissen. Dann musste man wohl mit der Wahrheit leben – und darauf hatte ich überhaupt keine Lust.
    Im Flur klingelte das Münztelefon. Ich sprang auf und lief los, mein Vater hinter mir her.
    Kaum waren wir im Flur, war das Telefon still. Ich hob den Hörer ab und sagte: »Hallo?«. Nur das Freizeichen.
    Einen winzigen Augenblick dachte ich: Es ist Mama. Gleich sagt sie uns, dass sie aus dem Weltraum zurückgekehrt ist. Ich habe gar nicht geflunkert. Es stimmt. Ich habe die ganze Zeit recht gehabt.
    Einen winzigen Augenblick dachte ich das.
    Wir setzten uns in den Salon.
    Ich betrachtete meine Turnschuhe. Auf einer Seite lugte mein großer Zeh fast heraus.
    »Möchtest du mir was erklären?«
    Ich schüttelte den Kopf. Es gab nichts zu erklären.
    »Sonst noch was?« Mein Vater klang nicht richtig sauer.
    »Tschuldigung.« Ich schob den Turnschuh gegen den Zahnarztstuhl. »Tschuldigung, dass Sascha dachte, Mama hätte dich verlassen. Tschuldigung, dass du stattdessen ein Vater mit einer toten Frau bist.«
    »Eine tote Frau« klang nicht so, als ginge es um meine Mutter. »Einer toten Frau aus Friesland«, fügte ich hinzu.
    Er lachte leise. »Es ist sicher nicht leicht, die Tochter einer toten Mutter zu sein.«
    Ich schüttelte den Kopf. Das war es wirklich nicht.
    »Aber wenn du lügst, wenn du herumerzählst, dass deine Mutter nicht tot ist …«, fuhr mein Vater jetzt wieder ernst fort, »dann glaubst du irgendwann selbst daran.«
    Und das ist ganz schön kompliziert, wollte ich sagen, aber ich tat es nicht.
    »Du musst dich daran gewöhnen, dass sie tot ist. Es geht nicht anders. Das Leben geht weiter, Olli. Ob wir es wollen oder nicht.«
    Er hatte mich immer noch nicht in den Arm genommen. Mich noch nicht fest an sich gedrückt, mir über die Wange gestrichen.
    Ich verschränkte die Arme. »Wenn sich gewöhnen heißt, dass du mit Sonja anbandelst, musst du dich allein dran gewöhnen.«
    »Wir müssen hier weg, Olli. Das sagt die Polizei.«
    Bockig zog ich die Schultern hoch.
    »Wir ziehen zu Sonja«, sagte mein Vater.
    Plopp, sah ich das Lächeln meiner Mutter wieder. Wie konnte sie darüber nur lächeln?
    »Diese Sonja ist so dick, dass wir nicht mal zu dritt in ihre Wohnung passen. Dann krachen wir alle zusammen durch den Fußboden.«
    »Man macht keine Witze über dicke Menschen, Krump.« Aber dabei grinste er, und eine halbe Sekunde lang sah er aus wie mein alter Vater, dieses Riesenkind, das einen gefundenen Stein in einem Becher mit sich herumtrug und jubelnd verkünden konnte, es sei ein Diamant.
    Ihm zuliebe lachte ich auch kurz. Mein alter Vater war mir lieber als dieser neue ernste Herr.
    Doch dann war der Moment vorbei.
    »Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie es weitergehen soll, Olli.«
    »Du lässt mir ja gar keine Wahl, dann brauchst du mich auch gar nicht erst zu fragen!« Ich stand auf, wollte weggehen, doch er hielt mich am Arm fest. Ich versuchte, mich zu befreien. Er hielt mich. Ziemlich fest.
    Seufzend fragte er: »Warum bist du so wütend?«
    Wieder versuchte ich, mich zu befreien.
    »Eigentlich sollte ich wütend werden«, sagte er, »bei deinem pubertären Gehabe.«
    Pubertäres Gehabe? Ich war elf. Pubertieren war was für Dreizehnjährige. Außerdem fand ich »Gehabe« so altmodisch.
    Plötzlich fiel mir auf, dass ich ihm das früher alles sofort erklärt hätte. Direkt, einfach so. Ich hätte meinem Vater erklärt, was er nicht begriffen hatte. Weil er mein Freund war.
    Aber jetzt sagte ich: »Lass mich los.«
    »Olli …«
    »Lass los!«
    Er ließ mich los.
    Drehte sich um und marschierte aus dem Friseursalon raus auf die Straße.
    Die Glocke an der Eingangstür klingelte kurz, und kaum war es wieder still, war meine Wut verflogen. Ich fühlte mich nur noch furchtbar schwer.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl und ließ ihn zischend hinunter. Es war ein bisschen kalt.
    Ich pumpte

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