Olivia und der australische Millionär
blühende Rose verwandelte, die zunächst zögerlich und dann immer mutiger ein zartes Blütenblatt nach dem anderen entfaltete.
Keine Frage, an seiner Seite stand eine Frau, die bereit war, die Vergangenheit abzustreifen, sich dem Licht entgegenzustrecken und sich zu verändern.
Genau in dieser Sekunde stahl sich ein einzelner Sonnenstrahl durch die Blätter und ließ Olivias Haar wie gesponnenes Gold aufglänzen. Clint stockte der Atem.
„Ich komme mir vor, als würde ich in einer Kathedrale stehen …“ Olivias Stimme klang ganz ehrfürchtig.
„Deshalb habe ich dich hierhergebracht“, murmelte Clint heiser. Spontan legte er einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. „Empfindest du deinen Aufenthalt hier immer noch als Strafe?“, fragte er eindringlich.
Olivias Wangen färbten sich dunkelrot. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. „Ehrlich gesagt frage ich mich inzwischen, warum ich mir anfangs überhaupt Sorgen gemacht habe“, gestand sie leise.
„Was waren das für Sorgen?“
„Ich … es hätte ja sein können, dass wir überhaupt nicht miteinander auskommen. Und natürlich die Einsamkeit!“, schob sie schnell hinterher.
Clint runzelte die Stirn. „Aber du hast keine Angst vor mir, hoffe ich …“
Sie machte sich von ihm frei und senkte den Kopf. „Auf eine Art schon“, bekannte sie zögernd, weil sie ihn nicht anlügen wollte.
„Auf welche Art?“
Was sollte sie darauf sagen?
„Olivia?“
„Nichts Ernstes“, wiegelte sie ab. „Aber ich weiß, dass ich dich irritiere, das kannst du nicht leugnen! Mir … mir geht es ja ähnlich.“
Da umfasste er ihre Hände und zog sie an seine Brust. „Hör zu, Olivia. Ich möchte nicht, dass du dich durch irgendetwas verunsichern lässt, was ich dir, vielleicht ja auch nur im Scherz, sage … verstehst du?“
Nein, das tat sie nicht. Aber das wunderte sie nicht, weil sie ja nicht einmal sich selbst verstand!
„Olivia?“
Warum küsst du mich nicht endlich? Küss doch meine Angst und meine Sehnsucht einfach weg!
„Wage es ja nicht, mich jetzt zu küssen, McAlpine!“, sagte sie zu ihrem eigenen Entsetzen laut und wäre am liebsten auf der Stelle im weichen Waldboden versunken. Doch dazu kam es nicht, weil McAlpine keine zweite versteckte Aufforderung brauchte.
6. KAPITEL
Am Samstagmorgen erwachte Olivia noch vor Tagesanbruch.
Sie war schrecklich nervös, obwohl ihr in den letzten Tagen ein großes, kompetentes Team als Unterstützung zur Seite gestanden hatte. Anders als bei ähnlichen Events auf Balfour Manor gab es hier aber keine lauwarme Unterstützung auf präzise formulierte Forderungen, sondern enthusiastische Zustimmung und begeistertes Mitmachen. Immer mehr beschlich Olivia das Gefühl, bisher unter einer Art Glasglocke gelebt zu haben. Das war hier nicht möglich. Jeder wollte in ihre Gedanken und Planungen einbezogen werden und persönlich zum Erfolg der Aktion beitragen.
Ihr piekfeiner Akzent brachte die Hausmädchen immer wieder derart zum Lachen, dass Olivia ihn schließlich sogar bewusst einsetzte, weil ihr die lockere Stimmung um sie herum gefiel.
Bessie kam und ging, wie es ihr beliebte, ohne eine offizielle Position auf Kalla Koori zu bekleiden. Sie behandelte Livvy , wie sie die schöne, junge Engländerin immer noch nannte, mit dem gleichen Respekt und der Hochachtung, die auch sie selbst von ihrem Volk als Stammesprinzessin erfuhr. In dieser Woche war sie gerade von einer spontanen Exkursion aus der Wüste zurückgekehrt und präsentierte Olivia ihr jüngstes Werk. Ihr Malstil war eine unnachahmliche Mischung aus Aborigine-Kunst und naturgetreuer Malerei.
Das Bild zeigte eine Fülle von Wildblumen, deren einzelne Blüten bis ins Detail perfekt dargestellt waren. Dunkle Wolken ballten sich am Horizont zusammen, während im Vordergrund ein Regenmacher der Aborigines tanzte, der bis auf wenige, strategisch angebrachte Federn nackt war. Dabei hielt er, einem alten Ritual folgend, einen langen Stock gen Himmel. Es handelte sich um den Yamstick , wie Olivia erfuhr, dem das Volk der Aborigines magische Kräfte zusprach.
„Dieses Bildist reine Magie, Bessie!“, rief Olivia entzückt aus.
„Ich habe den Regenzauber selbst miterlebt“, versicherte Bessie ernsthaft. „Der herbeigerufene Wolkenbruch verwandelte die Wüste im Nu in ein wahres Blumenparadies. Alle Wildblumen, die du hier siehst, sind botanisch korrekt dargestellt.“
Olivia lächelte. „Das kann ich erkennen.“ Als sie
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