Olivia und der australische Millionär
den vielen Jahren, in denen sie alles getan hatte, um seine Anerkennung zu erringen, empfand sie Oscars Worte als ziemlich harte und ungerechte Kritik.
Wäre das Ganze doch nicht mehr als ein böser Traum! Dann könnte ich jetzt ganz normal mein gewohntes Leben weiterführen …
Doch so war es leider nicht. Der Eklat an jenem schrecklichen Abend hatte derartige Kreise gezogen, dass die gesamte Familie davon betroffen und nichts je wieder so wie vorher sein würde. Und das ausgerechnet beim hundertsten Jubiläum des berühmten, jährlich stattfindenden Balfour Charity Balls!
„Der Balfour-Ball ist ein absolutes Muss für jeden, der in der oberen Gesellschaft Rang und Namen hat!“, behauptete Edwina Balfour, Olivias snobistische Großtante. „Eine Einladung zu diesem Ball kommt einer Audienz im Königspalast gleich.“
Hätte man Olivia befragt, würde sie sagen, dass sie einen Ball auf Balfour Manor unbedingt einer Einladung in den Palast vorziehen würde. Auf jeden Fall aber war diese gesellschaftlich äußerst relevante Veranstaltung absolut nicht der richtige Ort, um einen Zickenkrieg auszutragen. Doch genau das hatten sie und Bella an jenem schicksalhaften Abend veranstaltet!
„Geh zum Teufel!“, hatte ihre Zwillingsschwester Olivia ins Gesicht geschrien und ihr eine Ohrfeige verpasst.
Noch nie zuvor hatte ein Zwilling den anderen tätlich angegriffen. Aber nun war diese schreckliche Szene in ihren Köpfen gespeichert, vielleicht für immer. Ein derartiger Bruch der Etikette galt als unverzeihlich und brachte die gesamte Familie in Misskredit. Als einzige Entschuldigung hätte man höchstens anführen können, dass sowohl Bella als auch Olivia es eigentlich nur gut meinten … und zwar mit ihrer geliebten jüngeren Schwester Zoe.
Arme Zoe!
Am wichtigsten Tag im Jahr – und an diesem speziellen Datum sogar des Jahrhunderts – hatten alle Balfour-Schwestern in festlichen Abendkleidern, funkelnden Juwelen und in schöner Eintracht vor dem imposanten Eingang des Herrensitzes beieinandergestanden. Sie gaben ein so hinreißendes Bild ab, dass die Pressefotografen gar nicht genug von ihnen bekommen konnten.
Leider bemerkte niemand, dass einige Paparazzi sich auf der Jagd nach intimeren Bildern und interessanten Schlagzeilen heimlich und als Angestellte getarnt ins Hausinnere geschlichen hatten. An diesem Abend kamen sie mehr als auf ihre Kosten!
Olivia seufzte, als sie daran zurückdachte, wie stolz sie an besagtem Abend auf ihre distinguierte Erscheinung gewesen war, im unübersehbaren Gegensatz zu ihrer wilden, glamourösen Zwillingsschwester, die ohnehin immer wie ein schillernder Kolibri aus der Geschwisterrunde herausstach. In ihrer aufregend mondänen und ziemlich gewagten Designerrobe zog Bella natürlich die meisten Blicke auf sich. Olivia galt eher als die Besonnene, Praktische … von der Presse wurde sie unfairerweise sogar einmal als frömmelnd und scheinheilig bezeichnet, während man ihrer Schwester das größere Herz und natürlich auch mehr Humor attestierte.
Jetzt, wo alle Karten offen auf dem Tisch lagen, musste Olivia sich eingestehen, dass sie sich Bella innerlich immer weit überlegen gefühlt hatte. Sosehr sie ihre Zwillingsschwester auch liebte und an ihr hing, konnte sie den Drang, sie zu bevormunden, einfach nicht unterdrücken. Heimlich bewunderte sie Bellas aufreizende Schönheit, traute ihr aber keine intellektuelle Tiefe und Ernsthaftigkeit zu.
Anders als Olivia las Bella keine Bücher oder Fachzeitschriften, sie hatte ihr Studium nicht beendet, und für schöne Künste interessierte sie sich schon gar nicht. Auch in Geschmack und Lebensart unterschieden sie sich sehr. Während Bella ihre körperlichen Vorzüge herausfordernd unterstrich, tat Olivia ihr Bestes, um sie möglichst zu verbergen.
Aber schließlich waren sie ja auch keine eineiigen Zwillinge. Bella glich geradezu frappierend ihrer verstorbenen Mutter, der wunderschönen Alexandra – bis auf die typischen, leuchtend blauen Balfour-Augen. Sie war ein Freigeist und hasste es, auf einem Fleck zu verharren und Verantwortung zu übernehmen. Olivia dagegen spürte nichts von dem unbezwingbaren Freiheitsdrang ihrer Schwester.
Stattdessen war sie ihrem Vater nach und nach zu einer nahezu unverzichtbaren Assistentin und Vertreterin in Sachen Charity geworden und unterwies und leitete ihre jüngeren Schwestern und Halbschwestern an, wann immer das nötig war. Währenddessen führte Bella unbekümmert ihr hektisches
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