Olivia und der australische Millionär
anderen Gästen zunehmend entspannter und anregender. Man fand immer mehr gemeinsame Themen, angefangen von interessanten Reisen, über fantastische Tier- und Pflanzenwelten und spektakuläre Naturereignisse – wie den Vulkanausbruch, den Clint und Brendan vor einigen Jahren von einer Jacht aus beobachtet hatten.
Wenn Marigole sich einfach rausgehalten hätte, wäre jeder um sie herum mehr als zufrieden gewesen. Stattdessen aber schoss sie immer wieder verbale Pfeile in Olivias Richtung ab. Anfangs waren sie noch subtil und pointiert, aber zunehmend wurden sie immer plumper und aggressiver.
Lucas, der sich bisher bestens unterhalten hatte, wirkte plötzlich angespannt bis peinlich berührt. Sein Nacken über dem engen Hemdkragen rötete sich. Jedem war bewusst, dass er sich für seine Begleiterin schämte. Nachdem er eine Weile dumpf vor sich hingebrütet hatte, stand er entschlossen auf und wandte sich an Clint.
„Es war ein fantastisches Dinner, alter Freund, aber …“
„Ist es richtig, dass Ihr Vater Sie wegen eines Skandals von zu Hause verbannt hat?“, übertönte Marigoles scharfe Stimme alles, was er sonst noch hatte sagen wollen.
„Wow! Wenn das stimmt, schließe ich Sie heute in mein Nachtgebet mit ein!“, versprach Brendan, um dem Ganzen die Spitze zu nehmen.
Doch Olivia war nicht umsonst die Tochter ihres Vaters. „Im Kern haben Sie ganz recht, Marigole“, erwiderte sie gelassen. „Ich hätte es nur anders ausgedrückt. Oscar will mich einfach für eine Weile aus der Schusslinie der Presse halten. Das ist doch nichts Ungewöhnliches für einen liebenden Vater, finden Sie nicht? Aber Sie müssen inzwischen Recherchen über mich eingeholt haben … darf man fragen, warum?“
„Wenn blaues Blut sich als schlecht erweist!“ , zitierte Marigole schrill. „Hieß die Schlagzeile nicht so? Der hochwohlgeborene Balfour-Clan und seine schmutzigen kleinen Affären! Nicht eine , nein … gleich zwei illegitime Töchter werden der staunenden Öffentlichkeit präsentiert! Ich weiß wirklich nicht, ob ich meine arme kleine Tochter in Ihrer Nähe wissen möchte.“
Es war Brendan, der sich als Erster von seinem Schock erholte. „Was bist du nur für eine hinterhältige Hexe, Marigole! Was du brauchst, ist …“
„Eine zeitige Nachtruhe“, beendete Clint den Satz für ihn und legte seinem Freund fest die Hand auf die Schulter.
„Was mischst du dich da ein?“, kreischte Marigole hysterisch. „Schläfst du etwa mit dieser Frau?“
Brendans derzeitige Freundin Chloe, die nicht gerade für ihren Intelligenzquotienten bewundert wurde, zischte vor Abscheu ein nicht gesellschaftsfähiges Wort mit vier Buchstaben hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Doch daraus wurde nichts, weil der Hausherr alle mit der eindrucksvollen Demonstration eines Alphatieres überraschte. Donnernd knallte Clints Faust auf den Tisch. „Das reicht! Olivia ist Gast in meinem Haus!“
„Und ich schlafe sehr geräuschvoll und allein “, versicherte Olivia mit feinem Lächeln. „Beantwortet das Ihre Frage, Marigole? Nicht, dass es Sie überhaupt etwas anginge.“
„Verdammt richtig!“, schäumte Brendan und bedachte Olivia mit einem Blick, in dem sich Unterstützung und Hochachtung mischten.
Marigole schien niemanden außer ihrer vermeintlichen Rivalin um sich herum wahrzunehmen. „Ich meinte das ernst.“
„Ich auch“, gab Olivia ruhig zurück und überlegte flüchtig, ob sie noch einmal ihren magischen Stein einsetzen sollte. Doch dann schaute sie Lucas an, der sich etwas schwerfällig und widerstrebend auf sie zubewegte, und hätte fast laut losgelacht. Einen größeren Kontrast als den zwischen Marigoles Exmann und ihrem derzeitigen Lebenspartner konnte es kaum geben.
Während McAlpine wie ein aufs Äußerste gereizter Löwe wirkte, vermittelte Lucas Harcourt den Eindruck eines traurigen Bassets. „Es tut mir so leid, Olivia … ich befürchte, in einem unbeobachteten Moment … der schwere Wein …“, stammelte er hilflos.
„Warum begleiten Sie Marigole nicht in Ihre Suite, Lucas?“, regte Clint eisig an.
Ein derart unerfreuliches Ereignis hätte den Erfolg des Abends leicht schmälern können, aber dazu ließen es die Zurückgebliebenen nicht kommen.
Kaum war Marigole aus dem Weg, gab es genügend Platz für einen Mocca und verschiedene Liköre.
Olivias Verbannung aus England avancierte zum viel diskutierten Thema, allerdings ohne dass auch nur eine Spur von Peinlichkeit aufkam. Im Gegenteil.
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