Oliviane – Der Saphir der Göttin
verändert«, eröffnete er das Gespräch, nachdem sie beide auf gepolsterten Hockern vor dem flackernden Kaminfeuer Platz genommen hatten und ihre Becher gefüllt waren. »Ihr habt jene Rücksichtslosigkeit und Unbeschwertheit eingebüßt, die Euch früher wie eine Rüstung umgab«, entgegnete Jean de Montfort ernst.
»Das Gefühl, unbesiegbar zu sein?«, räumte Hervé de Sainte Croix ironisch ein. Er wusste zu gut, wovon sein Herr und Freund sprach. »In der Tat. Es gibt zu viel, das nicht von Erfolg gekrönt war. Oliviane de Rospordon war unter den Novizinnen von Sainte Anne. Auch dies war ein Grund, weshalb Cocherel sie unbedingt zur Frau haben wollte. Er hoffte, wenigstens diesmal nicht nur die Braut, sondern auch den Stern von Armor in seinen Besitz zu bringen. Es ist ihm misslungen, aber ich bin ebenso gescheitert wie er. Wie es aussieht, besteht keine Möglichkeit, diesen vermaledeiten Stein zu bekommen ...«
»Erzählt mir von der Demoiselle de Rospordon. Ich kann mich an ihren Vater erinnern. Ein Mann von großer Tapferkeit und außerordentlichem Stolz. Er wollte den Rospordons zu neuer Macht verhelfen. Wie schade, dass er ohne männlichen Erben gefallen ist und nur dieses Mädchen von seinem Stamm übrig geblieben ist!«
»Oliviane de Rospordon hat sowohl die Tapferkeit als auch den bedingungslosen Stolz ihres Vaters geerbt«, räumte der Seigneur heftiger als beabsichtigt ein. »Haltet sie nicht für ein schwaches Kind.«
»Dafür spricht ihre Flucht«, nickte der Herzog zustimmend. »Trotzdem bleibt es eine unüberlegte Dummheit. Wohin könnte sie sich gewandt haben? Hat sie Schutz in einem Kloster gesucht? Habt Ihr eine Ahnung, wo der Stern von Armor geblieben sein könnte?«
»Wie Ihr wisst, hatte ich keine Gelegenheit, dies in Erfahrung zu bringen. Oliviane de Rospordon hat ihre eigenen Entscheidungen getroffen.«
Hervé de Sainte Croix wandte den Blick ab, so dass der Herzog nur sein Profil sah. Doch dies genügte, dass er die verkrampften Lippen und die heftig pochende Schläfenader bemerkte.
»Beschreibt mir die Demoiselle!«
Dem Herzog entging nicht, wie knapp die Schilderung seines Freundes ausfiel und wie betont neutral seine Stimme dabei klang.
»Ich würde sagen, das Mädchen ist ein wenig größer als die meisten anderen Frauen, schlank, mit hüftlangen blonden Haaren. Die Züge sind gefällig, das Gesicht ist oval. Braune Augen. Die Stimme dunkel, die Bewegungen voller Anmut, das Verhalten ihrer Abstammung angemessen ...«
»Sie ist schön?« Jean de Montfort wollte es genauer wissen.
»Schöner als Mond und Sonne zusammen!«, brach es aus dem Seigneur heraus, und er stand so abrupt auf, dass sein Stuhl über den hölzernen Boden schrammte. »War es das, was Ihr wissen wolltet?«
»So war sie eine weitere Figur in Eurem Schachspiel, mein Freund?«
»Bei Gott, nein!« Hervé de Sainte Croix stieß die Worte so unbeherrscht hervor, dass es ihm peinlich war. »Entschuldigt, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«
»Und Ihr seid sicher, dass die Dame nichts mit Eurer galligen Laune zu schaffen hat?«, hakte der Herzog erneut nach.
Dieses Mal schüttelte der Seigneur stumm den Kopf, weil er fürchtete, kein Ende zu finden, wenn er anfing, seinen Zorn in Worte zu fassen.
»Nun, es wäre auch zu schön gewesen, wenn es mir tatsächlich gelänge, die Sterne von Armor vollständig in meinen Besitz zu bringen«, seufzte Jean de Montfort. »Ich werde mich mit jenen zufrieden geben müssen, die ich habe. Obwohl ich gestehe, dass ich Oliviane de Rospordon gerne kennen gelernt hätte. Sie scheint mir eine höchst ungewöhnliche junge Dame zu sein.«
Er erhielt keine Antwort. Der Seigneur de Sainte Croix stützte sich am Kaminsims ab und starrte schweigend in das Feuer. Er wirkte so versunken, als sähe er dort ein Bild, das seinem Herrn verborgen blieb.
»Ich verstehe keineswegs, warum Ihr mich nicht einmal mehr nach St. Pierre zum Hochamt begleiten wollt«, entrüstete sich Dame Magali. »Ihr könnt Euch doch nicht ununterbrochen in diesem Haus vergraben! Wie stellt Ihr Euch das denn vor?«
Oliviane sah von dem Spinnrad auf, das sie mit geschicktem Tritt in Gang hielt, während der feine Faden durch ihre Finger lief.
»Einen wahrhaftigen Eisenschädel habt Ihr, Kind! Das ist es«, ärgerte sich Dame Magali verdrießlich. »Ihr könnt mir nicht weismachen, dass Ihr wegen Maître Crépin nicht mitkommen wollt. Ihr lauft vor der Erinnerung an diesen Mann davon, dessen Andenken Euch
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