Oliviane – Der Saphir der Göttin
und den Rest seines Lebens in Buße und Gebet verbringen.«
»Was missfällt euch daran, Mutter Magali? Meint Ihr nicht auch, dass sie reichlich Grund zur Buße und Sühne hätte?«
Gereizt fuhr die Amme auf, und unter ihrem zornigen Blick zog sogar der Herzog den Kopf ein klein wenig ein. »Das Kind hat in Notwehr gehandelt und tapfer um seine Freiheit gekämpft, Euer Gnaden. Jeder Ritter, der in Gefangenschaft das gleiche tut, wird für seinen Mut und seine Tatkraft gerühmt. Man erteilt ihm Absolution, und damit hat es sich. Weshalb soll Oliviane de Rospordon bis ans Ende ihrer Tage büßen?«
Jean de Montfort entlockte das Mienenspiel seiner Amme ein Lächeln. »Sorgt Euch nicht. Ich werde dieser tatkräftigen jungen Frau den schönen Kopf nicht abreißen. Aber ich schicke niemanden hinter Klostermauern, ohne ihn zu kennen!«
»Aber das sollt Ihr doch gar nicht tun«, platzte die Dame de Silvestre jetzt doch mit ihrem Anliegen heraus. »Bei Gott, dieser Stein ist ein Vermögen wert, und sein ideeller Wert übersteigt dies noch um ein Vielfaches. Wollt Ihr den erstaunlichen Umstand nicht honorieren, dass er Euch ohne Zwang in dem Glauben anvertraut wird, dass Eure Hände die richtigen dafür sind?«
»An was für eine Art von Honorar habt Ihr gedacht, verehrte Amme?«
»Verheiratet sie!«, forderte Dame Magali mit praktischem Hausfrauenverstand. »Gebt sie einem dieser prächtigen Edelmänner, die an Eurer Seite gekämpft haben und die nun darangehen, ihre Burgen wieder aufzubauen und ihre Lehen zu ordnen. Findet einen, der ihren empfindlichen Stolz nicht mit Füßen tritt und es zu schätzen weiß, dass seine Gemahlin einen Verstand besitzt, der über den Rand ihrer Aussteuertruhe hinausreicht!«
»Habt Ihr Euch auch überlegt, was geschieht, wenn der Herzog von St. Cado von dieser Ehe erfährt? Er wird dieses Lehen dem Erdboden gleichmachen. Er zählt nicht zu den Männern, die es ertragen, dass ihnen die Braut wegläuft! Dies ist noch nicht das Land für eine romantische Idylle, meine Liebe! Im Moment herrscht kein Friede, sondern lediglich ein Gleichgewicht der Kräfte!«
Dame Magali ließ enttäuscht die Schultern sinken. »So gibt es also keinen Krieger, dem ihr zutraut, sein Lehen, sein Leben und eine unvergleichliche Frau zu verteidigen?«, erkundigte sie sich ein wenig spitz.
»Ihr seid zu ungeduldig, Amme«, rügte Jean de Montfort. »Ich werde der Dame eine Eskorte schicken, die sie nach dem Vesperläuten in meine Burg bringt. Der Stern von Armor ist zu wichtig, um ihn von einer Frau ohne Schutz durch Rennes tragen zu lassen ...«
Dame Magali begriff, dass ihre Audienz damit beendet war und dass sie gehorchen musste. »Gott zum Gruße, Euer Gnaden!«
»Behüte Euch der Himmel, Amme. Und ...« Er machte eine bedeutsame Pause, packte sie unverhofft an den Schultern und pflanzte ihr links und rechts einen fröhlich schmatzenden Kuss auf die Wange. »Habt Dank, dass Ihr Vertrauen zu mir habt. Ich werde mich bemühen, es nicht zu enttäuschen!«
Als er sie entließ, war seine Amme seltsam verwirrt und gerührt. Am Ende blieb der Dame nur ein Stoßgebet zur Heiligen Jungfrau. Hoffentlich hatte sie Oliviane de Rospordon nicht in zusätzliche Schwierigkeiten gebracht!
»Ihr macht Euch umsonst Sorgen! Was soll mir schon geschehen?«
Oliviane versuchte vergeblich, ihre Gönnerin zu beruhigen, die bereits weit vor dem Vesperläuten wie eine unruhige Katze in dem schönen Bürgerhaus an der Rue Guillaume umherschlich.
Dame Magali, die nervös die Falten ihres Kleides raffte, hätte einiges auf diese Frage antworten können, aber sie schwieg. Je länger sie über ihr Gespräch mit dem Herzog nachdachte, desto weniger vermochte sie zu sagen, ob es nun zu Olivianes Gunsten ausgegangen war oder nicht.
»Die Sänfte des Herzogs ist angekommen!«, meldete eine Dienstmagd in die gespannte Stille des Raumes, in dem sich die Konturen der dunklen geschnitzten Möbel bereits in der beginnenden Dämmerung verloren.
»So geht mit Gott!«, murmelte Dame Magali und umarmte ihren Schützling.
»Seid bedankt für alles, was Ihr für mich getan habt«, flüsterte Oliviane, und plötzlich überfiel sie die beängstigende Vorstellung, vielleicht nicht wieder in dieses Haus zurückkehren zu dürfen.
Die Sänftenträger, die draußen auf sie warteten, trugen den Löwen von Montfort im Wappen und machten den Eindruck, als wöge der kostbar geschnitzte Kasten mit den goldbestickten Samtvorhängen kaum mehr als ein
Weitere Kostenlose Bücher