Oliviane – Der Saphir der Göttin
über mich, wenn Ihr es wüsstet!«
»Papperlapapp! Wenn Ihr erst einmal so alt seid wie ich, werdet Ihr auch nicht mehr so schnell entsetzt sein«, schnaufte die ehrenwerte Dame, aber einmal mehr siegte ihr Mitleid beim Anblick des kalkweißen verzweifelten Gesichtes vor ihr. »Ich will nicht weiter in Euch dringen, aber Ihr solltet wissen, dass ich Euch in mein Herz geschlossen habe!«
Es war Magali de Silvestre nicht ganz klar, weshalb ausgerechnet jenes Geständnis ›Odile‹ dazu brachte, die Tränen zu vergießen, die sie bisher so tapfer unterdrückt hatte. Sie konnte nicht wissen, dass sie der erste Mensch in ›Odiles‹ Leben war, der ihr ein solches Geständnis gemacht hatte. Nicht einmal der Schwarze Landry hatte sich die Mühe gemacht, Oliviane in klaren Worten zu sagen, was er für sie empfand.
Dame Magali reagierte wie stets, wenn sie jemanden mochte. Sie schloss die verzweifelte junge Frau in die Arme, tätschelte ihr den Rücken und ließ sie weinen. Tränen reinigten.
17. Kapitel
»Wie wird er reagieren?«
Jean de Montfort war nicht der einzige, der seinen Blick auf Hervé de Sainte Croix heftete, der mit verschränkten Armen am großen Eichentisch des Herzogs stand und auf die Karten starrte, die dort ausgebreitet lagen. Alle Ratgeber Jean de Montforts erwarteten von Sainte Croix eine Antwort auf diese wichtige Frage.
»Er wird kämpften bis zum letzten«, erwiderte er knapp. »Er muss es tun, sonst rebellieren seine Männer. Das sind keine disziplinierten Soldaten. Das sind Kerle, die für die eigene Beute, das eigene Wohlergehen rauben und brandschatzen. Nur Cocherel und sein Hauptmann Gordien haben diesen wüsten Haufen einigermaßen im Griff. Wenn er auf unsere ausgeblutete Heimat losgelassen wird, müssen wir das Schlimmste fürchten!«
»Und diese Botschaften?« Der Herzog deutete auf ein paar Pergamente, die neben den Karten lagen. »Der Kerl hatte sogar die Frechheit, mich zu seiner Hochzeit am Dreikönigstag einzuladen! Ich möchte wissen, welcher Teufel den alten Rospordon geritten hat, seine Enkelin einem solchen Schurken zur Frau zu geben! Warum hat er sie nicht der Herzogin als Edeldame angetragen?«
»Ihr sorgt Euch umsonst. Die Hochzeit fand nie statt«, erklärte Sainte Croix kalt. »Die junge Braut ist verschwunden, ehe der Bund geschlossen wurde.«
»Verschwunden?« Für einen Moment waren die Ratgeber des Herzogs abgelenkt. Eine Braut aus dem noblen Geschlecht Rospordon verschwand vor der Hochzeit nicht wie ein Phantom. Entweder erlaubte sich Sainte Croix einen Scherz mit ihnen, oder es steckte mehr hinter der Geschichte!
»Was soll das heißen?«, forschte Jean de Montfort mit gerunzelter Stirn. »Ich möchte meinen, Paskal Cocherel wäre überglücklich darüber gewesen, dass es ihm gelungen ist, eine Braut aus einer so angesehenen Familie zu ergattern. Auch wenn das arme Kind vermutlich arm wie eine Kirchenmaus und hässlich wie die Nacht ist, ich hätte gedacht, er würde es auf jeden Fall hüten wie seinen Augapfel, bis es von ihm schwanger ist. Er weiß zu genau, dass der Name seiner Braut seinen Nachkommen Schutz und Ehre garantieren würde.«
»Es gelang dem Mädchen, dem Herzog zu entkommen«, entgegnete Hervé de Sainte Croix knapp. »Er hat seine Männer in alle Himmelsrichtungen gesandt und das Land um St. Cado auf den Kopf gestellt, aber die junge Frau blieb wie vom Erdboden verschluckt. Die Flucht hat bei ihm einen Tobsuchtsanfall ausgelöst; er ist außer sich vor Wut, was es nicht gerade leichter macht, seine Reaktionen vorherzusagen.«
»Geht Ihr davon aus, dass das Mädchen Helfer gehabt hat?«, erkundigte sich der Herzog mit einem viel sagenden Unterton.
»Anders kann ich mir die Sache kaum erklären«, entgegnete der Seigneur mit betont neutraler Stimme und hielt Jean de Montforts Blick ruhig stand.
»Dann müssen wir uns also nicht den Kopf über diese junge Frau zerbrechen«, entschied der Herzog und wandte sich wieder den dringlicheren Fragen zu. »Ihr denkt also, dass eine Belagerung von St. Cado nicht zu empfehlen ist ...«
Im Nu konzentrierten sich die Herren wieder auf die Pläne und Strategien. Hervé Sainte Croix hielt das Thema, das ihm so viel Kopfzerbrechen und so viele schlaflose Nächte beschert hatte, für abgehakt. Doch als sich der Rat verabschiedete, hielt der Herzog Hervé noch einmal zurück. Seine Neugier war noch längst nicht gestillt.
»Auf ein Wort, mein Freund ... Gönnt mir noch ein wenig Eurer Zeit! Ihr habt Euch
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