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Olympiareife Nummern

Olympiareife Nummern

Titel: Olympiareife Nummern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johnannknecht
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und wirkte verlegen.

    „Blöde, was? Ich weiß auch nicht ... ich hab' halt noch nie 'n normalen Schwulen gekannt vorher ..."

    Mit normal meint er mich - oder Mats, also Typen, denen man's nicht ansieht. Über Dietlinde und Uli konnte er nur staunen.
    „Echt, genau wie im Fernsehen", hatte er fassungslos gemurmelt, als die beiden mal hier waren. „Ich bin heilfroh, dass du so nicht bist." „Stell' dir doch Uli und Dietlinde mal beim Fußballspielen vor", sagte ich, „das hat doch was!" Ich kann sie mir nämlich ganz genau vorstellen, wie sie über den Platz trippeln, mit extrakleinen Schrittchen, hocherhobenen Händen und abgespreizten Fingern ... höre Dietlindes spitze Schreie, „Ui, das tut ja weh ... und der Ball ist so schmutzig, igitt!" Und ich sehe ihre ungeschickten und vergeblichen Versuche, dem Ball eine Richtung zu geben, was natürlich misslingt, weil sie wie alle Laien mit der Picke schießen. Höre ihre „Ohs!" und „Huchs!" und sehe Dietlinde sich durch die Frisur streichen „mein Gott, wie ich ausseh'! Nachher muss ich mir gleich 'ne Packung ins Haar machen!" Christoph lachte, als ich ihm mein inneres Szenario bildlich schilderte. „Krass! Nee, lieber nicht!"
    Irgendwann im Frühjahr, es muss kurz nach Josys Hochzeit gewesen sein, da war er mal ein paar Tage ziemlich schweigsam.
    „Ob er Ärger in der Schule hat?", fragte mich Jan. „Keine Ahnung ... bisher hatte er doch nie Probleme, oder?" Er fing sich wieder und kurz darauf standen eines nachmittags seine Kumpel vor der Tür, um ihn zum Fußballspielen abzuholen. Es war 'ne ganze Horde. Die meisten kannte ich noch gar nicht. Ich kam gerade mit Arnie vom Spazierengehen zurück.
    „Hat Chris euch nicht gehört?", fragte ich sie, denn ich hatte sie schon eine ganze Weile beobachtet, da vor der Tür, während ich zurückschlenderte.
Sie gafften mich an (ein paar sahen aus, als ob ihnen gleich die Augen herausfallen würden) und einige stießen sich in die Seite und warfen sich Blicke zu. Mir war sofort klar, was sie dachten. „Er hat's ihnen also gesagt", dachte ich, „dass mit Jan und mir ..." Ich tat so, als würde ich nichts mitkriegen, schloss auf und pfiff nach Chris. Der kam die Treppe runter und wurde rot.
„Wir wollten dich abholen", sagte Dennis. Den kannte ich.

Ich zog meine Jacke aus und ging in mein Zimmer.
Gesprächsfetzen.
„ ... soll er nicht mitkommen?"
„ ... hast doch gesagt, er spielt auch ... !"
„ ... frag' ihn doch mal!"
„ ... der sieht ja ganz normal aus ... !"
„ ... ob er rosa Unterhosen trägt?"
Gelächter auf dem Flur.
„Hört doch auf!" Chris entnervte Stimme.
„Ich frag ihn mal..."
Ein zaghaftes Klopfen.

„Komm' rein", rief ich. Zögernd betrat er mein Zimmer. Ich sah auf und wir guckten uns an. Er schluckte.

„Kommst du mit?", fragte er.
„Soll ich?", fragte ich und er nickte heftig.
„Ja - bitte!", sagte er.

An dem Tag legte ich mich besonders ins Zeug und es freute mich diebisch, als ich hörte, wie einer rief: „Ey, der sieht ja nicht bloß aus wie Timo Hildebrand!" Es war richtig gewesen, ich weiß es. Sie akzeptierten mich. Auf dem Rückweg alberten wir gemeinsam herum und ich hatte den Eindruck, schwer gepunktet zu haben. Offenbar hatte ich ihr Vorurteil widerlegt, dass entgegengesetzt der gängigen Meinung, auch Schwule Fussball spielen können. Als wir wieder zu Hause waren, allein, seine Truppe hatte sich fröhlich verabschiedet, total dreckig und nassge- schwitzt, fragte ich Chris: „Na, hab' ich mir Mühe gegeben?" Er sah mich groß an und dann umarmte er mich das erste Mal und hielt mich lange fest.
    „Ich mag dich echt gern, weißt du?", murmelte er an meinem Hals. War 'n schöner Moment.

    Jan

    Das übliche Durcheinander. Ein Schulfest eben. Fremde Menschen stehen 'rum und reden Belangloses, einzig und allein verbunden durch die Tatsache, dass sie ,Eltern' sind. Ihre Kinder - oder besser Jugendlichen in diesem Fall - sind die einzigen, die sich untereinander kennen. Sie vermeiden natürlich tunlichst den Kontakt mit der älteren Generation. Ist ja auch peinlich, mit Mutter oder Vater im Gespräch erwischt zu werden.
    Die spitznasige Kevin-Mutter ist auch da (Kevins Bruder ist so alt wie Katharina) und ich tue so, als hätte ich ihr erkennendes Aufleuchten in den Augen nicht gesehen und verschwinde unauffällig ins Schulgebäude. Angenehm, diese Ruhe hier.

    Ich fange schon an, mich zu langweilen, obwohl's noch gar nicht losgegangen ist und sehe auf die Uhr, die Flure

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