Olympos
Odysseus aus der Kabine kommen, in der er g e schlafen hat. Der breitbrüstige Mann bleibt stehen, als er die Me n ge auf dem Korridor erblickt, und seine Hand wandert autom a tisch ans Heft seines Schwertes – oder vielmehr an die leere Schlaufe in seinem Gürtel, denn die Moravecs haben ihm das Schwert während des Fluges mit der Hornisse zum Schiff abg e nommen, als er noch bewusstlos war. Mahnmut versucht sich vorzustellen, wie seltsam das alles dem Laertessohn e r scheinen muss – dieses metallene Schiff, das sie ihm beschri e ben haben, das auf dem für ihn unsichtbaren Weltraumozean segelt, und nun diese buntscheckige Ansammlung von M o ravecs im Korridor. Keine zwei Vecs sind genau gleich groß oder sehen gleich aus, ihre Bandbreite reicht von Orphus zwei Tonnen schwerer mass i ger Präsenz über den schwarzen, glatten Suma IV. bis zu dem ch i tinösen und kriegerischen Steinvec G e neral Beh bin Adee.
Ohne ihnen allen auch nur die geringste Beachtung zu sche n ken, tritt Odysseus ans Fenster des Lazaretts und beobachtet die Op e ration mit ausdruckslosem Gesicht. Erneut fragt sich Mahnmut, was im Kopf des bärtigen Kriegers mit der gewölbten Brust vo r geht, wenn er diese langbeinige silberne Spinne und die beiden schwarz gepanzerten Tech-Vecs sieht, die sich über Hockenberry beugen, einen Mann, den Odysseus in den letzten neun Monaten oft gesehen und mit dem er häufig g e sprochen hat. Odysseus und die Gruppe von Moravecs auf dem Gang starren auf Hockenbe r rys Blut, seine geöffnete Brust und die auswärts gebogenen Ri p pen. Es sieht aus wie in einer Schlachterei. Ob er wohl denkt, dass Retrograde Sinopessen ihn isst?
Ohne den Blick von der Operation zu wenden, sagt Odysseus auf Altgriechisch zu Mahnmut: »Weshalb haben deine Freunde Hockenberry getötet, Sohn des Duane?«
»Das haben sie nicht. Hockenberry ist plötzlich hier in uns e rem Schiff aufgetaucht … du weißt doch, dass er die Fähigkeit der Gö t ter besitzt, ohne Zeitverzug von einem Ort zum anderen zu re i sen?«
»Ja, ich weiß«, sagt Odysseus. »Ich habe gesehen, wie er Achilles nach Ilium gebracht hat, wie er verschwunden und wieder aufg e taucht ist, als wäre er selbst ein Gott. Aber ich h a be nie geglaubt, dass Hockenberry ein Gott oder der Sohn eines Gottes war.«
»Nein, das ist er nicht, und das hat er auch nie behauptet«, sagt Mahnmut. »Anscheinend hat ihn jemand niedergestochen, aber es ist ihm gelungen, hierher zu qten … zu reisen wie die Götter … um Hilfe zu suchen. Der silberne Moravec, den du da drin siehst, und seine zwei Assistenten versuchen, Hockenberry das Leben zu re t ten.«
Odysseus richtet seinen grauäugigen Blick auf Mahnmut. »Ihm das Leben zu retten, kleiner Maschinenmensch? Ich sehe doch, dass er tot ist. Die Spinne holt gerade sein Herz heraus.«
Mahnmut dreht sich um und schaut hin. Der Sohn des Laertes hat Recht.
Um Sinopessen nicht abzulenken, setzt sich Mahnmut auf dem gemeinsamen Kanal mit Asteague/Che in Verbindung. Ist er tot? Unwiderruflich tot?
Der Hauptintegrator, der neben dem Operationstisch steht und die Prozedur beobachtet, antwortet auf dem gemeinsamen Band, ohne den Kopf zu heben. Nein. Hockenberrys vitale Körpe r funktionen hatten erst seit wenig mehr als einer Minute versagt, b e vor Sinopessen seine gesamte Gehirnaktivität eingefroren hat – er glaubt, dass er keine irreversiblen Schäden davongetragen hat. Wie mir Integrator Sinopessen mitteilt, würde man normalerweise etliche Millionen Nanozyten injizi e ren, um die beschädigte Aorta und den Herzmuskel des Menschen zu reparieren, und dann weitere spezialisierte Molekularmaschinen ei n bringen, um seinen Blutvorrat wieder zu vervollständigen und sein I m munsystem zu stärken. Der Integr a tor hat jedoch entdeckt, dass dies bei dem Scholiker Hockenberry nicht möglich ist.
Warum nicht?, fragt der callistanische Integrator Cho Li.
Die Zellen des Scholikers Hockenberry sind signiert.
Signiert? Mahnmut hat sich nie sonderlich für Biologie oder G e netik interessiert – weder für die menschliche noch für die der Moravecs –, obwohl er sich eingehend mit der Biologie von Kr a ken, Tang und anderen Geschöpfen das europaschen Meeres b e schäftigt hat, in dem er während des letzten Standar d jahrhunderts und länger mit seinem U-Boot herumgefahren ist.
Signiert – mit einem Copyright markiert und kopiergeschützt, se n det Asteague/Che auf dem gemeinsamen Band. Jeder auf dem Schiff außer Odysseus und dem
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