Olympos
Fensterläden waren eingeschlagen worden, und die Kreaturen krabbelten hinein. Aus der Haustür ergoss sich Licht auf die von Voynixen wimmelnde Vordertreppe, und Ada e r kannte, dass die Tür aufgebrochen worden war – in der Hauptha l le und der Diele konnten keine menschlichen Verte i diger mehr am Leben sein. Die Voynixe bewegten sich mit unglaublicher, i n sektenartiger Geschwindigkeit. Es würde keine Minuten, sondern nur noch Sekunden dauern, bis sie hier oben auf dem Dach w a ren. Ein Teil des Westflügels von Adas Heim stand in Flammen, aber die Voynixe würden lange vor dem Feuer bei ihr sein.
Ada drehte sich um, tastete sich im Dunkeln auf der Jinker-Plattform entlang – ihre Finger berührten nasse Körper – und suchte nach dem Flechette-Gewehr, das ihr Retter oder ihre Rett e rin fallen gelassen hatte. Sie war nicht gewillt, mit leeren Händen zu sterben.
36
Daeman hatte damit gerechnet, dass es kalt sein würde, als er zum Paris-Krater-Knoten faxte, aber nicht so kalt.
Die Luft im Innern des Garlion-Faxpavillons war derart kalt, dass man sie nicht atmen konnte. Der Pavillon selbst war in dicke, blaue Eisstränge gehüllt, die sich überlappten und wie straff um einen Knochen gewickelte Sehnen an dem kreisrunden Faxkn o ten-Bau befestigt waren.
Er hatte über dreizehn Stunden gebraucht, um zu den and e ren neunundzwanzig Knoten zu faxen und die Menschen dort vor Setebos ’ Ankunft und dem blauen Eis zu warnen. Gerüchte waren ihm vorausgeeilt – Leute von anderen, bereits gewarnten Knoten waren voller Panik vor ihm hergefaxt –, und jeder hatte Fragen. Er hatte ihnen erzählt, was er wusste, und war dann so schnell wie möglich weitergefaxt, aber es gab immer noch mehr Fragen – wo war es sicher? In der Nähe aller Knoten-Gemeinschaften samme l ten sich Voynixe. Mehrere hatten kleine Überfälle erlebt, nur w e nige jedoch schwere Angriffe wie jenen, den Ardis in der Nacht vor Daemans Aufbruch abg e wehrt hatte. Wohin können wir gehen?, wollten sie alle wissen. Wo ist es sicher? Daeman erzählte ihnen alles, was er über Setebos, Calibans vielarmigen Gott, und das blaue Eis wusste, dann faxte er weiter – obwohl er zweimal dr o hend seine Armbrust schwingen musste, ehe sie ihn fortließen.
Von seinem Faxpavillon auf einer achthundert Meter entfer n ten Hügelkuppe aus betrachtet, war Chom eine tote, blaue Bl a se aus Eis. Die Himmelskreise in Ulanbat waren nun vollstä n dig von den seltsamen blauen Strängen umschlossen, und D a eman war sofort wieder weggefaxt, bevor die Kälte ihn dort festhielt, hatte den Code für Paris-Krater eingetippt, ohne zu wissen, was ihn dort erwartete.
Jetzt wusste er es. Blaue Kälte. Der Garlion-Faxknoten, begr a ben in Setebos ’ seltsamem Eis. Daeman zog eilig die Kapuze seiner Thermohaut über und setzte die Osmosemaske auf – und selbst dann war die Luft noch so kalt, dass sie ihm die Lungen verbran n te. Er hängte sich die Armbrust über die Schulter, auf der er b e reits den schweren Rucksack trug, und überdachte seine Möglic h keiten.
Niemand – nicht einmal er selbst – würde es ihm verübeln, wenn er jetzt kehrtmachte, nach Ardis zurückfaxte und beric h tete, was er gesehen und gehört hatte. Er hatte seine Aufgabe erfüllt. Dieser Faxpavillon war in blauem Eis begraben. Die größte der rund ein Dutzend sichtbaren Öffnungen hatte einen Durchmesser von nicht mehr als fünfundsiebzig Zentimetern und bot Zugang zu einem gekrümmten Eistunnel, der durchaus nirgendwohin führen konnte. Und wenn er sich in dieses Eislabyrinth hineinb e gab, das Setebos über den Gebeinen einer toten Stadt erschaffen hatte – was, wenn er nicht zurückkam? Vie l leicht würden sie ihn in Ardis brauchen. Auf jeden Fall brauc h ten sie die Informationen, die er in den letzten dreizehn Stu n den gesammelt hatte.
Daeman seufzte. Er nahm seinen Rucksack und die Armbrust ab, hockte sich vor die größte Öffnung – sie war ganz unten, knapp über dem Fußboden –, schob den Rucksack vor sich hi n ein, stieß ihn mit der gespannten Armbrust vorwärts und begann, über das Eis zu kriechen. Er spürte die Weltraumkälte durch die Thermohaut über Händen und Knien.
Das Dahinkriechen war ermüdend und schließlich auch schmerzhaft. Nach weniger als hundert Metern gabelte sich der Tunnel; Daeman nahm die linke Abzweigung, weil es dort mehr Sonnenlicht zu geben schien. Fünfzig Meter weiter vorn führte der Tunnel leicht abwärts, verbreiterte sich erheblich
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