Olympos
hinunterrutschen musste.
In der Dunkelheit unter dem Überhang wartete ein Dutzend Voynixe.
Daeman war so überrascht, dass er das Seil im selben Moment losließ, als er ungeschickt nach der Armbrust auf seinem R ü cken griff. Er fiel etwas mehr als einen Meter, verlor auf dem Gras den Halt und stürzte rücklings hin, ohne die schwere Armbrust frei zu bekommen. Er lag halb auf dem Rücken, mit leeren Händen, und schaute auf die erhobenen Stahlarme, die scharfen Tötungskli n gen und hervortretenden Panzer der Voynix-Horde, die in zwe i einhalb Meter Entfernung mitten im Sprung auf ihn zu eingefr o ren war.
Eingefroren. Alle zwölf Kreaturen waren zum größten Teil im blauen Eis begraben; nur Stücke von Klingen, Unterarmen, Be i nen oder Schalen ragten heraus. Keiner ihrer Peds befand sich ganz auf dem Boden, und es war klar, dass das Eis sie im Lauf oder im Sprung erwischt hatte. Voynixe waren schnell auf ihren Peds. Wie konnte dieses blaue Eis sich rasch genug bilden, um sie auf diese Weise zu fangen?
Daeman hatte keine Antwort, er war nur heilfroh, dass es so war. Er rappelte sich hoch, merkte, dass ihm der Rücken und die Rippen wehtaten, wo er auf die Armbrust und den klobigen Rucksack gefallen war, und zog das Seil herunter. Er hätte es hier hängen lassen können – er besaß noch weitere dreißig M e ter Seil, und womöglich würde er diese Eisklippe auf dem Rückweg rasch emporklettern müssen, statt mit seinen Ei s hämmern mühselig Tritte zu schlagen –, aber vielleicht würde er das ganze Seil bra u chen, noch bevor dieser Tag um war. Während Daeman parallel zur Avenue Daumesnil auf der Promenade Plantée . wie er sie i m mer noch nannte – der vertraute, erhö h te Bambus-Drei-Gehweg war jetzt zwanzig Meter über ihm im Eis eingefroren –, nach Nordwesten ging, nahm er die Armbrust vom Rücken, vergewi s serte sich erneut, dass die schwere Waffe gespannt und schussb e reit war, und folgte dem unmö g lichen Pfad aus grünem Gras ins Herz von Paris-Krater.
Promenade Plantée , so hatte jeder in Paris-Krater den Gehweg über ihm genannt. Es war einer jener seltenen alten Namen aus Wörtern, die noch aus der Zeit vor der gemeinsamen Weltspr a che zu stammen schienen, und niemand aus Daemans Bekan n tenkreis hatte jemals nach seiner Bedeutung gefragt. Während er nun dem grünen Streifen in der dunkler und immer tiefer werdenden Schlucht durch blaues Eis und ausgegrabene Ru i nen folgte, fragte er sich, ob der Gehweg, den er kannte, nach diesem älteren, ve r gessenen Pfad benannt war, der tief unter der Erde gelegen hatte, bis Setebos es für angebracht gehalten hatte, ihn mit seinen vielen Händen auszugraben.
Daeman ging vorsichtig und mit zunehmender Beklemmung weiter. Er wusste nicht, was er hier zu finden geglaubt hatte – sein Hauptziel war es gewesen, Setebos noch einmal deutlich zu sehen, falls es Setebos war, und in Ardis Hall vielleicht berichten zu kö n nen, wie es nach der Invasion in dieser Stadt aus blauem Eis au s sah –, doch als er andere Dinge erblickte, die in dem organischen blauen Eis zu beiden Seiten der Promenade eingefroren waren – ein weiteres halbes Dutzend Voynixe, Haufen menschlicher Schädel, noch mehr Ruinen, die seit Jah r hunderten kein Tageslicht mehr gesehen hatten –, wurden seine Handflächen feuchter, während sein Mund immer trockener wurde.
Er wünschte, er hätte eine der Flechette-Waffen dabei, die Petyr von der Brücke mitgebracht hatte. Daeman erinnerte sich deutlich, wie Savi in der unterirdischen Grotte oben auf Prosperos Orbita l insel Caliban aus größter Nähe eine volle Wolke Flechettes in die Brust gejagt hatte. Das Monster war nicht g e storben; Caliban hatte gebrüllt und geblutet, aber er hatte Savi auch in seine langen A r me gehoben und ihr mit einem einzigen, schrecklich hörbaren Schnappen seiner Kiefer den Hals durc h gebissen. Dann hatte die Kreatur sie fortgeschleppt, war in den Sumpf getaucht und hatte ihre Leiche durch das System von Abwasserrohren und gefluteten Tunnels davongetragen.
Ich bin gekommen, um Caliban zu suchen, dachte Daeman und a k zeptierte es damit zum ersten Mal als Tatsache. Caliban war sein Erzfeind – seine Nemesis. Daeman hatte dieses Wort erst im ve r gangenen Monat gelernt und sofort gewusst, dass in diesem L e ben der Begriff »Nemesis« nur auf Caliban zutraf. Und nach se i nem Versuch, die Kreatur auf Prosperos Orbitalinsel erst zu töten und dann dort sterben zu lassen, nachdem er die um die
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