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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Orphu. Er drehte seine Schale um hunder t achtzig Grad, zündete seine Korrekturtriebwerke, und sie mac h ten sich auf den Rückflug zum Schiff, zum Montageturm und zur relativen Sicherheit des Stickney-Kraters. Mahnmut reckte seinen kurzen Hals, um während der Drehung zum Mars hinaufz u schauen. Er wusste, dass es eine Illusion war, aber er schien ihm näher zu sein. Olympus und die Tharsis-Vulkane waren fast schon außer Sicht, während Phobos auf den anderen Rand des Planeten zuraste.
    »Hast du dich schon mal gefragt, wie sich unsere Trauer von der von … sagen wir … Hockenberry unterscheidet? Oder von Achi l les ’ Trauer?«, fragte Orphu.
    »Eigentlich nicht. Hockenberry scheint ebenso sehr um den Ve r lust der Erinnerungen an den größten Teil seines früheren Lebens zu trauern wie um seine tote Frau oder seine toten Freunde, St u denten und so weiter. Aber wer kann das bei di e sen Menschen schon sagen? Und Hockenberry ist nur ein rekonstruierter Mensch – j e mand oder etwas hat ihn aus DNA, RNA, seinen alten Büchern und wer weiß was für Wahrschei n lichkeitsprogrammen wiedererschaffen. Und was Achilles b e trifft – wenn er traurig ist, geht er los und massakriert jemanden. Oder einen ganzen Ha u fen.«
    »Ich wünschte, ich wäre im ersten Kriegsmonat dort gewesen, um seinen Angriff auf die Götter mit anzusehen«, sagte Orphu. »Nach deinen Schilderungen zu urteilen, war es ein unglaubl i ches Blutbad.«
    »Kann mal wohl sagen«, bestätigte Mahnmut. »Ich habe den freien Zugriff auf diese Dateien in meinem nicht-organischen G e dächtnis blockiert, weil sie so erschreckend sind.«
    »Das ist noch so ein Element bei Proust, über das ich nachg e dacht habe«, sagte Orphu. Sie landeten auf der Oberseite des Er d schiffes, und der große Moravec trieb winzige Verbi n dungshaken in die dicke Hülle aus Tarnmaterial. »Wir können auf unser nich t organisches Gedächtnis zurückgreifen, wenn wir unsere neuralen Erinnerungen für fragwürdig halten. Die Menschen hingegen können sich nur auf diese verwirrende, chemisch gesteuerte ne u rologische Speichermasse stützen. Ihre Erinnerungen sind vol l kommen subjektiv und emotional g e färbt. Wie können sie ihnen vertrauen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Mahnmut. »Wenn Hockenberry mit uns zur Erde fliegt, bekommen wir vielleicht einen kleinen Ei n blick in die Funktionsweise seines Verstandes.«
    »Allerdings werden wir weder mit ihm allein sein noch viel Zeit zum Reden haben«, sagte Orphu. »Wir werden mit hohen g-Kräften beschleunigen und mit noch höheren g-Kräften abbre m sen, und diesmal werden wir eine ziemlich große Truppe sein – mindestens ein Dutzend Fünf-Monde-Vecs und hundert Steinvec-Soldaten.«
    »Diesmal sind wir auf alles vorbereitet, hm?«
    »Das bezweifle ich. Obwohl dieses Schiff genug Waffen an Bord hat, um die Erde zu Asche zu verbrennen. Aber bis jetzt hat uns e re Planung nicht mit den Überraschungen Schritt g e halten.«
    Mahnmut verspürte dieselbe Übelkeit wie damals, als er erfa h ren hatte, dass ihr Marsschiff insgeheim Waffen mitführte. »Tra u erst du jemals so um Koros III. und Ri Po, wie dein Proust-Erzähler um seine Toten trauert?«, fragte er den Ionier.
    Orphus Feinradarantenne richtete sich auf den kleineren M o ravec, als wollte er in Mahnmuts Gesicht lesen, so wie er behau p tet hatte, den Gesichtsausdruck eines Menschen lesen zu können. Aber Mahnmut verfügte natürlich über keinen G e sichtsausdruck.
    »Eigentlich nicht«, sagte Orphu. »Wir haben sie vor der Mi s sion nicht gekannt und waren während der Mission – bevor Zeus uns … erwischt hat – nicht mit ihnen zusammen unterg e bracht. Deshalb waren sie für mich in erster Linie Stimmen im Funk, o b wohl ich manchmal auf das nicht-organische Gedäch t nis zugreife, um mir Bilder von ihnen anzusehen … einfach, um ihr Andenken zu ehren, vermute ich.«
    »Ja«, sagte Mahnmut. Er tat dasselbe.
    »Weißt du, was Proust über Konversation gesagt hat?«
    Mahnmut unterdrückte einen weiteren Seufzer. »Was denn?«
    »Er hat gesagt: › Wenn wir mit anderen reden, sind nicht wir mehr die Sprechenden … wir formen uns nach dem Bild jener Fremden und nicht nach einem Ich, das von dem ihren verschi e den ist. ‹ «
    »Wenn ich also mit dir rede«, sagte Mahnmut auf ihrer priv a ten Frequenz, »forme ich mich in Wirklichkeit nach dem Bild einer sechs Tonnen schweren Königskrabbe mit ramponierter Schale, zu vielen Beinen und ohne Augen?«
    »Gib

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