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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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weil sie aus dieser Richtung g e kommen war –, gab es kein Loch. Man sah sowohl Ilium als auch das Meer, und nichts deutete auf di e se Zauberei hin. Nur wenn man sich von Südwesten näherte, wurde das Loch sichtbar.
    Achäer und Trojaner – säuberlich getrennt, aber ohne miteina n der zu kämpfen – kamen in langen Kolonnen zu Fuß und per Streitwagen durchs Loch, als hätte jemand eine Evakuierung a n geordnet. Penthesilea nahm an, dass sie Befehle aus Il i um und aus Agamemnons Lager befolgten, ihre Frontlinien im Kampf gegen die Götter zu verlassen und so schnell wie möglich heimzuko m men, um sich auf neue Feindseligkeiten untereinander vorzub e reiten.
    Für Penthesilea spielte das keine Rolle. Ihr Ziel war Achilles ’ Tod, und wehe, irgendein Achäer – oder Trojaner – beging den Fehler, ihr dabei in die Quere zu kommen. Sie hatte bereits Legi o nen von Männern im Kampf in den Hades geschickt, und sie würde es auch heute wieder tun, wenn es sein musste.
    Sie hielt tatsächlich den Atem an, als sie ihre Zweierreihen beri t tener Amazonen durch das Loch führte, doch als sie auf der and e ren Seite herauskam, verspürte sie nur eine seltsame Leic h tigkeit, eine subtile Veränderung des Lichts und – als sie schließlich wi e der Luft holte – eine vorübergehende Kurza t migkeit, als befände sie sich plötzlich auf einem Berggipfel, wo die Luft dünner war. Penthesileas Pferd schien die Veränd e rung ebenfalls zu spüren und zerrte mit aller Macht an den Z ü geln, aber sie zwang es auf seinen Kurs.
    Sie konnte den Blick nicht vom Olymp wenden. Der Berg nahm den ganzen westlichen Horizont ein … nein, er nahm die Welt ein … nein, er war die Welt. Direkt vor ihr, jenseits der kleinen Gruppen von Menschen, Moravecs und Leichen auf dem roten Boden – so sah es jedenfalls für die Amazone aus, die abrupt jedes Interesse an allem verloren hatte, was nicht Olymp war –, erhob sich zunächst der rund vier Kilometer hohe, fast senkrechte Stei l hang am Fuß des Heims der Götter, dann viele weitere Kilometer Berg, dessen Hänge immer weiter anstiegen, hinauf und hinauf …
    »Meine Königin.«
    Penthesilea hörte die Stimme nur wie von fern, erkannte u n deutlich, dass sie Bremusa gehörte, die im Rang gleich nach Kl o nia kam, ignorierte sie jedoch genauso wie den Anblick des klaren Ozeans zu ihrer Rechten oder der großen Steinköpfe, die das Ufer säumten. Diese Dinge bedeuteten nichts im Vergleich zu der hoch aufragenden Realität des Olympos selbst. Penth e silea lehnte sich in ihrem schmalen Sattel zurück, um mit dem Blick der Linie der Bergschulter zu folgen, hinauf, höher und noch einmal unendlich viel höher hinauf, während sie in den hellblauen Himmel und darüber hinaus emporstieg …
    »Meine Königin.«
    Penthesilea fuhr herum, um Bremusa zu tadeln, stellte jedoch fest, dass die anderen Frauen ihre Pferde zum Stehen gebracht hatten. Die Amazonenkönigin schüttelte den Kopf, als erwachte sie aus einem Traum, und ritt zu ihnen zurück.
    Nun gewahrte sie, dass sie die ganze Zeit hindurch, während der Olymp sie in seinen Bann geschlagen hatte, an Frauen vorbe i geritten waren – laufenden, schreienden, blutenden, sto l pernden, weinenden, zu Boden stürzenden Frauen. Klonia war abgestiegen und hatte den Kopf einer solchen verwundeten Frau auf ihr Knie gelegt. Die Frau schien ein bizarres purpurrotes Gewand zu tr a gen.
    »Wer war das?«, fragte Penthesilea, die wie aus großer Höhe herabschaute. Sie erkannte jetzt, dass sie während der letzten K i lometer einer Spur abgelegter, blutiger Rüstungsteile gefolgt w a ren.
    »Die Achäer«, krächzte die Sterbende. »Achilles … « Falls sie eine Rüstung getragen hatte, so hatte ihr das nicht geholfen. Man hatte ihr die Brüste abgeschnitten. Sie war beinahe nackt. Das purpurr o te Gewand war in Wirklichkeit ihr eigenes Blut.
    »Bringt sie zurück nach … «, begann Penthesilea, hielt dann j e doch inne. Die Frau war gestorben.
    Klonia stieg auf ihr Pferd und nahm ihren üblichen Platz rechts hinter Penthesilea ein. Die Königin spürte den Zorn, der von ihrer alten Gefährtin ausging. Er war wie die Hitze eines großen Feuers.
    »Vorwärts.« Penthesilea gab ihrem Schlachtross die Sporen. Ihre Streitaxt war quer über ihren Sattelknauf geschnallt. Athenes Speer lag in ihrer rechten Hand. Sie galoppierten den letzten ha l ben Kilometer zu der Gruppe von Männern vor ihnen. Die Achäer standen über weitere Leichen gebeugt – sie

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