Olympos
– zu betören; es werde ihn in einen Zustand überwält i gender Lust versetzen. Damit verfügte Penthesilea nun über zwei Geheimwaffen: Athenes Speer, der sein Ziel nicht verfehlen kon n te, und Aphrodites Parfüm. Penthesilea hatte vor, Achilles den Todesstoß zu versetzen, während der Männertöter vor ihr stand, übermannt vom Ve r langen.
Eine ihrer Amazonen, wahrscheinlich die treue Klonia, die ihr direkt unterstellt war, hatte ihre Königinnenrüstung poliert, bevor sie sich selbst schlafen gelegt hatte, und nun glänzten die Bronze und das Gold im Metallspiegel. Penthesileas Waffen lagen bereit: der Bogen und der Köcher voller kerzengerader Pfeile mit r o tem Gefieder, das Schwert – kürzer als das eines Mannes, aber perfekt ausgewogen und auf kurze Distanz genauso tödlich wie jede Männerklinge – sowie ihre zweischneidige Streitaxt, für gewöh n lich die Lieblingswaffe einer Amaz o ne. Aber nicht an diesem Tag.
Sie wog Athenes Speer in der Hand. Er war so gut wie gewich t los und schien es kaum erwarten zu können, zu seinem Ziel zu fliegen. Die lange, mit Widerhaken versehene, tödliche Spitze b e stand nicht aus Erz, nicht einmal aus Eisen, sondern aus einem schärferen Metall, das auf dem Olymp geschmiedet worden war. Nichts konnte es trüben. Keine Rüstung konnte es aufhalten. Athene hatte ihr erklärt, dass die Spitze in das tödlichste Gift g e taucht worden war, das die Götter kannten. Ein Schnitt in Achi l les ’ sterbliche Ferse, und das Gift würde sich zum Herzen des Helden pumpen, ihn binnen Sekunden fällen und ein paar Her z schläge später in den Hades hinabschicken. Der Schaft summte in Penthesileas Hand. Der Speer war ebenso erpicht darauf wie sie, Achilles ’ Haut zu durchbohren und ihn niederzustrecken, seine Augen, seinen Mund und seine Lungen mit der Schwärze des T o des zu füllen.
Athene hatte Penthesilea im Flüsterton darüber informiert, w o her Achilles ’ fast vollständige Unverwundbarkeit rührte; sie hatte ihr alles über Thetis ’ Versuch erzählt, das Kind unsterblich zu m a chen, und dass Peleus das Baby aus dem Himmlischen Feuer g e zogen und diesen Versuch dadurch vereitelt ha t te. Achilles ’ Ferse ist die eines Sterblichen, flüsterte Athene, ihr Quantenwahrscheinlic h keitssatz ist nicht manipuliert worden … was immer das heißen sollte. Für Penthesilea hieß es, dass sie den Männertöter Achilles töten würde – und ein Frauentöter und Vergewaltiger war er obe n drein, wie sie wusste, eine Geißel der Frauen bei seiner Eroberung von fast einem Dutzend Städte, die er zusammen mit seinen wild wütenden Myrmidonen eingenommen hatte, während die and e ren Achäer sich hier an der Küste auf ihren Lorbeeren und Ä r schen ausruhten. Selbst in ihrem fernen Amazonenland im No r den hatte die junge Penthesilea gehört, dass es zwei trojanische Kriege gegeben ha t te – den der Achäer, deren zielstrebiger Kampf hier bei Ilium sich mit langen Perioden des Müßiggangs und der Völlerei a b wechselte, und den von Achilles, der jahrzehntelang eine Schneise der Zerstörung durch ganz Kleinasien gezogen ha t te. Siebzehn Städte waren seinen erbarmungslosen Attacken zum Opfer g e fallen.
Und nun ist er es, der fallen wird.
Penthesilea und ihre Frauen ritten durch eine Stadt, in der Ve r wirrung und Aufruhr herrschten. Ausrufer auf den Mauern ve r kündeten, dass die Achäer sich hinter Agamemnon und se i nen Truppenführern sammelten. Es ging das Gerücht, dass die Gri e chen einen heimtückischen Angriff planten, während Hektor schlief und der tapfere Äneas an der Front auf der anderen Seite des Loches war. Penthesilea fielen Gruppen von Frauen auf, die in bunt zusammengewürfelten Teilen von Männerrü s tungen wie Möchtegern-Amazonen ziellos durch die Straßen liefen. Nun bli e sen die Wachposten auf den Mauern in ihre Trompeten, und das große skäische Tor schlug hinter Penthesilea und ihren Kriegeri n nen zu.
Ohne die dahineilenden trojanischen Kämpfer zu beachten, die auf der Ebene zwischen der Stadt und den Achäerlagern Aufste l lung nahmen, führte Penthesilea ihre zwölf Frauen os t wärts zu dem sich drohend abzeichnenden Loch. Obwohl sie das Ding schon auf dem Herweg gesehen hatte, klopfte ihr Herz vor Err e gung. Es war um die siebzig Meter hoch, ein vollkommener Dre i viertelkreis, der aus dem Winterhimmel g e schnitten und in der felsigen Ebene östlich der Stadt verankert war. Von Norden und Osten gesehen – sie wusste es,
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