Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
so an, als hätte eine Zeitmaschine sie zurück in ihre Teeniezeit verfrachtet – wunderbar!
Ein paar Stunden später war es dunkel. Jade fuhr mit ihrem Käfer zum Island Palace und parkte ein Stück abseits, damit sie außer Sichtweite war. Dann stöckelte sie in ihren Lederstiefeln über den Deich zur Disco. Ihr Aufzug fühlte sich grandios an, sie war geschützt und sicher wie unter einer kugelsicheren Weste. Trotz der perfekt geschminkten Smokey Eyes konnte sie auf ihre Sonnenbrille nicht verzichten, denn ihre mandelförmigen Augen hätten sie verraten, zumindest auf den zweiten Blick.
«Viel Spaß!», sagte der breitschultrige Türsteher, als sie den Laden betrat. Ihr Aussehen schien hier niemanden weiter zu schockieren. Neugierig schritt Jade durch einen langen Gang in die feindliche Höhle. Sie verspürte ein Kribbeln im Bauch, das, wie sie wusste, nicht nur mit ihrer Verkleidung zu tun hatte. Gleich würde sie Momme wiedersehen, und die Aussicht, ihn zu beobachten, ohne dass er sie bemerkte, gefiel ihr.
Anfangs hatte sie große Schwierigkeiten, sich mit der Sonnenbrille im Raum zu orientieren. Einmal knallte sie aus Versehen voll gegen einen Pfeiler. Wie machten das bloß die Hollywood-Stars, die immer so herumrannten? Sie beschloss, sich in eine Ecke zu stellen, erst dann wagte sie einen Blick über den Brillenrand.
Der Tresen war in Form eines Bootsrumpfes gebaut, ganz aus Alu und von beiden Seiten zugänglich. In der Mitte standen die Regale mit den Getränken. Was gar nicht schlecht aussah und natürlich hervorragend zu Föhr passte. An der Decke tobten sich helle Laserstrahlen in allen Farben aus und bildeten immer wieder neue bizarre Formen. Überall waren große LED-Wände, auf denen Filme zu sehen waren. Dazu kam ein gigantischer Sound von allen Seiten, gegen den die Anlage im Erdbeerparadies wie ein Kofferradio wirkte.
Es war keinesfalls so, dass sie das Palace nicht faszinierend fand. Aber das Erdbeerparadies war es auf seine Art auch, da blieb sie unerschütterlich. Ob die Jugendlichen das auch so sahen? Sie konnte es nur hoffen.
Aber wo war Momme? Der Platz hinter dem Mischpult war leer. Sie schlenderte zum Schiffstresen und bestellte eine Cola. Während sie in ihrer Tasche nach Kleingeld suchte, betrachtete sie die beachtliche Palette an Spirituosen. Gerade wollte sie sich der Tanzfläche zuwenden, da schritt Momme ans Mischpult. Schnell nahm sie einen großen Schluck Cola. Ihr stockte der Atem. Heute trug er ein anthrazitfarbenes T-Shirt mit V-Ausschnitt, Blue Jeans und graue Leder-Turnschuhe. Unter dem T-Shirt konnte sie die Konturen seiner Schlüsselbeinknochen erkennen. Sie wollte sich gerade freuen, als sich eine etwa Zwanzigjährige mit blondem Pferdeschwanz zu ihm gesellte. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid und coole Lederboots und war – leider – ziemlich attraktiv. Jetzt beugte sie sich zu ihm und rief ihm etwas ins Ohr.
Und wie reagierte dieser Idiot?
Er lehnte sich zu ihr herab und legte seine Hand auf ihre Schulter, damit er sie besser verstehen konnte. Beide lachten, dann stießen sie mit ihren Drinks an und warfen sich dabei vertraute Blicke zu.
Wie naiv war sie gewesen! Sie hätte gleich drauf kommen müssen, dass sie nicht die einzige Frau auf der Insel war, die sich für ihn interessierte. Und dass er durchaus nicht abgeneigt war, mit schönen Blondinen zu flirten.
Plötzlich stand der Türsteher von vorhin neben ihr.
«Viel Spaß dann noch», sagte er und deutete zur Tür. Es klang wie ein Befehl.
«Was willst du?», schimpfte Jade.
Anstatt einer Antwort nahm er sie beim Arm und zerrte sie mit sich zum Ausgang.
«Unverschämtheit!», brüllte Jade, als sie draußen standen.
«Ich wollte schon lange mal mit dir reden», hörte sie eine sympathisch klingende Frauenstimme hinter sich sagen. Sie drehte sich um und blickte direkt in Susanne Lindners Gesicht.
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21.
Ladys Night
Jade sah Susanne Lindner misstrauisch an. Sie trug Jeans, eine kurzärmlige dunkelbraune Bluse und crèmefarbene Ballerinas. Schon bei ihrer ersten Begegnung im Erdbeerparadies hatte Jade ihre Konkurrentin insgeheim für ihre Ausstrahlung und Tatkräftigkeit bewundert. Als sie der Teeniedisco ein Ende gesetzt hatte, war sie kein bisschen laut geworden, sondern hatte ihr Anliegen wie beiläufig durchgesetzt. Dazu kam ihre natürliche Eleganz, die sie auch jetzt wieder an den Tag legte. Die Frau hatte einfach Format. So wie die Lindner zu werden, das war Jades Ziel,
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